Amerikareise 2001 - Kapitel 56: Im Land der 49ers

Eine redaktionelle Bemerkung vorweg: Da ich die Gegend, die in den nächsten Kapiteln behandelt wird, im Laufe der Reise zwei mal besucht habe, stimmen die Bilder und Geschichten nicht mehr unbedingt mit der chronologischen Besuchsreihenfolge überein. Ich hoffe, das wird nicht zu konfus ...

Beginnen wir dieses Kapitel im Jahr 1803 in Kandern in Südbaden. Da wird ein gewisser Johann Augustus Sutter als Sohn eines Papierfabrikanten geboren. Nach einer Lehre in einem Verlag in Basel heiratet er und versucht sich als Händler für Drogeriewaren und Innenausstattung, mit recht mäßigem Erfolg. Also segelt er 1834 nach New York, ohne seine Frau und inzwischen 5 Kinder. Seine weitere Reiseroute: Missouri - Santa Fe, Mexiko - Fort Vancouver, Washington - Honolulu, Hawaii - Sitka, Alaska - Yerba Buena (heute San Francisco). Im August 1839 schließlich segelt er den Sacramento River hinauf, um eine Kolonie zu gründen. 1840 wird er mexikanischer Staatsbürger (Kalifornien gehörte damals noch zu Mexico), um vom Gouverneur ein Stück Land zu erhalten. Dort baute er ein Fort, das er New Helvetia nannte.

Es war 100 Meter lang und von dicken Mauern und Kanonentürmen geschützt. Zu der Zeit hat er sich schon zum Captain befördert, obwohl er eigentlich nie in einer Armee gedient hat. 1845 hatte das Fort eine Bäckerei, Werkstätten eines Schmieds und eines Zimmermanns, eine Tuchfabrik, 1.700 Pferde, 3.000 Schafe und 4.000 Kühe.

Sutter verstand es, hervorragende Beziehungen zu den umliegenden Indianern herzustellen (viele von ihnen arbeiteten mehr oder weniger freiwillig für Sutter) und war als großzügiger Gastgeber bekannt. Er versuchte, neue Siedler für sein Fort in den USA, aber auch in der Schweiz und in Deutschland anzuwerben. Um den steigenden Bedarf an Holz zu decken, beauftragte er 1847 den Zimmermann James Marshall, ca. 80 km östlich des Forts am American River eine Sägemühle zu bauen (heute heißt der Ort Coloma).

Die Mühle war so gut wie fertig, da entdeckte Marshall am 24. Januar 1848 zufällig im Fluss einige Metallflocken, die recht schnell als Gold identifiziert wurden. Sutter und Marshall vereinbarten zunächst Stillschweigen über den Fund. Als aber einige Wochen später Kinder im Fort die Geschichte weitererzählten, glaubten es die vorbeikommenden Reisenden nicht. Um die Glaubwürdigkeit ihrer Kinder zu beweisen, zeigte eine Mutter das Gold herum. Schnell verbreitete sich die Nachricht und das Fort wurde von Goldsuchern sprichwörtlich überrannt. Gutgläubig und großzügig wie Sutter war, wurde er mehrfach über den Tisch gezogen und musste sein Fort 1849 verkaufen, um die Schulden bezahlen zu können. Mit seiner Frau und den Kindern, die 1850 nachkamen, siedelte er in Marysville, bis die Farm 1865 abbrannte. Er starb als gebrochener Mann 1880 in Washington D.C. Auch James W. Marshall (Bild) erging es nicht viel besser, er konnte aus dem Goldfund auch kein Vermögen machen. Es wird erzählt, der Anfertigung dieses Portraits habe er nur zugestimmt, weil er als Entschädigung ein paar Flaschen Whisky bekam.

Innerhalb weniger Monate kommen 1849 zigtausende Menschen von überall her in die Gegend, um etwas von dem sagenhaften Goldreichtum abzubekommen, daher der Spitzname 49ers. Städte schießen wie Pilze aus dem Boden, Sacramento (Bild oben) wird schnell zu einem zentralen Handelsplatz, San Francisco mit seinem idealen Naturhafen boomt. Kalifornien wird 1850 zum US-Bundesstaat. Es dauert allerdings nicht sehr lange, da sind alle Flüsse mehrfach umgegraben, die sogenannten Sekundärlagerstätten erschöpft. So versuchen die Goldsucher herauszufinden, wo sich die Lagerstätte befindet, aus der das abgelagerte Gold herausgewaschen wurde. Diese Primärlagerstätte wird "the mother lode" genannt.

In einem Ort namens Green Valley findet ein gewisser George McKnight diese goldführende Quarzader und beginnt, einen Stollen zu graben. Innerhalb kürzester Zeit haben Hunderte von Goldschürfern den üblichen 12 mal 9 Meter großen claim abgesteckt, die Gegend ist übersät von "Kojotenlöchern". Ohne entsprechende Technik und immer wieder von Einstürzen bedroht verkauften viele Goldgräber ihre claims. 1852 begann John Rush, die Empire Mine systematisch auszubauen. Bis 1956 wurden knapp 600 km Stollen bis zu einer Tiefe von 1500 Metern gegraben und etwa 6 Millionen Feinunzen gefördert, nach heutigen Preisen etwa ein Wert von 4,4 Milliarden DM.

Nach Abschalten der Wasserpumpen sind die meisten Stollen inzwischen geflutet und warten darauf, dass es ein steigender Goldpreis wieder rentabel macht, das verbleibende Gold abzubauen. Inzwischen kann man den Schacht (ganz oben) und jede Menge Gerät (oben) bewundern oder sich die Reparaturwerkstätten ansehen (unten). Hier wurden die Meißel geschärft, mit denen unter Tage Bohrlöcher geschlagen wurden.

Nebenan zeigen sie einen Film aus dem Jahr 1958, der sich mit Gold beschäftigt. Dann hätten wir noch das Häuschen des Chefs, genannt Cottage. Besonders lustig fand ich den Safe, der im Büro der Mine die geförderten Schätze aufbewahrte. Man könnte ihn beinahe mit einer Waschmaschine verwechseln. Wie langweilig sehen dagegen doch unsere heutigen eckigen Tresore aus.

In der ganzen Gegend finden sich einige historische Städtchen, die sich nach Kräften bemühen, die 150 Jahre alten Häuser aufzumöbeln, um möglichst viele Touristen anzuziehen. Wenn sie nicht gerade ein Museum beherbergen (wie das Feuerwehrhaus in Auburn, Bild rechts), sind fast ausschließlich Antiquitätenläden, Geschenkartikel oder Restaurants darin untergebracht. Ebenfalls ganz nett gemacht ist Nevada City, besonders hübsche Häuschen stehen noch an der alten Hauptstraße von Folsom (unten). 

Der ganze Sonnenschein trügt übrigens nicht, es ist reichlich warm, tagsüber locker über 30° C. Umso ärgerlicher, dass es jetzt schon um dreiviertel acht komplett dunkel ist. In Coloma besichtige ich das eher langweilige Museum, staune aber Bauklötze, als ein Opa vor der Tür demonstriert, wie früher Seile gedreht wurden. Für mich sieht das ein Wenig nach David Copperfield aus, obwohl ich rundrum laufen kann und alles anfassen darf. Noch etwas eigenartiger muss ich allerdings aus der Wäsche geguckt haben, als drüben auf der anderen Straßenseite ein etwas ungewöhnliches Haustier an der Hundeleine geführt wird.

Vor der Imbissbude angebunden zu werden gefällt ihm übrigens überhaupt nicht. Es blökt so lange, bis Herrchen wieder heraus kommt.

Bei Besuch Nr. 2 bin ich nochmal in der Altstadt von Sacramento. Die ist recht authentisch wieder hergerichtet worden, mit jeder Menge Museen und Läden. Einen Vertreter des Eisenbahnmuseums haben sie außerhalb geparkt. Ich füttere die Parkuhr und begebe mich auf die Suche nach etwas Essbarem. Bei Round Table stoße ich auf ein all-you-can-eat Pizza und Salat Buffet. Das wird geplündert. Dummerweise habe ich nur eine Stunde Parkzeit investiert, da muss ich eben schnell essen :-))

Auf dem Rückweg statte ich dem Wells Fargo Museum einen Besuch ab. Weitere Museen dieser Gesellschaft in San Francisco, Los Angeles und San Diego sind dann auch noch dran, das ergibt Stoff für ein eigenes Kapitel. Um nicht weiter in das Quartergrab investieren zu müssen, fahre ich auf die andere Seite des Flusses und komme mit dem Fahrrad wieder. Es sollte meine letzte Fahrt werden, als ich zurückfahren möchte, ist das Fahrrad geklaut, samt Drahtseil und (abgeschlossenem!!) Schloss. Davon ahne ich aber noch nichts, als ich einem modernen Schaufelraddampfer beim Einparken zusehe. Er stellt dafür nämlich einfach das Schaufelrad ab und wirft die Schraubenmotoren an - der mogelt! Der große Dampfer in der Mitte ist übrigens ein dauerhaft geparktes Schiffchen, das inzwischen als Hotel fungiert. So wie damals beim Goldrausch, als es auch nicht genügend Häuser gab und Schiffe zu Hotels umgebaut wurden.

Dass die guten alten Zeiten vorbei sind, macht mir diese Oma deutlich. Früher hätte sie ihre Zeit damit verbracht, Passanten anzusprechen und um Kleingeld zu bitten. Heute muss sie sich darauf konzentrieren, einen neuen high score bei ihrem Game Boy zu erspielen.

Übrigens: wer noch mehr (nicht nur) zum Thema Goldrausch in Kalifornien lesen möchte, kann mal bei www.parks.ca.gov vorbeischauen.