Amerikareise 2001 - Special (57): Wells, Fargo & Co.

Schon vor dieser Reise verband sich bei mir mit dem Namen Wells Fargo dieser Gedanke an den ursprünglichen Wilden Westen, Postkutschen und Revolverhelden. Die (übrigens kostenlosen) Museen, die Wells Fargo heute in Kalifornien eingerichtet hat, geben sehr interessante Einblicke in die Geschichte. Viele meiner Eindrücke sind natürlich schwer auf Fotos festzuhalten oder schriftlich zu dokumentieren. Wer noch mehr erfahren möchte, sollte unbedingt mal auf der Geschichten-Seite des Unternehmens vorbeischauen.

Am 18. März 1852 trafen sich die Herren Wells und Fargo mit weiteren Geschäftspartnern, um ein "express and exchange business" zwischen New York, San Francisco und anderen Städten Kaliforniens zu gründen. Henry Wells (rechts*, 1805 - 1878) wurde 1841 der Agent für William Harnden, den Erfinder des Kutschen-Transportgeschäfts. 1850 schloss er sich mit anderen Transporteuren für Wertsachen, Finanzdokumente und Post zusammen, um die American Express Company zu gründen, deren erster Präsident er bis 1868 war. Sein Freund William George Fargo (links*, 1818 - 1881) hatte schon mit 13 Jahren eine 60 km Pferdepoststrecke übernommen und war ebenfalls einer der Partner bei der Gründung von American Express, deren Präsident er von 1868 bis 1881 war.

Im Juli 1852 wurden die ersten Filialen in der Hafenstadt San Francisco und dem Goldumschlagspunkt Sacramento eröffnet. Innerhalb von 3 Jahren kamen Büros in 50 kalifornischen Städten dazu, vor allem im Gebiet der Goldvorkommen. Dort erarbeiteten sich die Agenten von Wells, Fargo & Co. schnell einen Ruf als zuverlässige und korrekte Geschäftspartner. Sie kümmerten sich um den Transport von Goldstaub zur Münze in San Francisco oder tauschten ihn direkt gegen Goldmünzen ein. Sie versorgten die abgelegenen Ortschaften mit Post, transferierten Geld in andere Teile des Kontinents, in manchen Ecken waren sie die einzige regelmäßige Verbindung zur Außenwelt.

Von 1858 bis zum Bau der Eisenbahn 1869 baute die Gesellschaft mehrere Postkutschen-Überlandrouten auf. Zuvor wurden Passagiere und Post von der Ostküste mit dem Schiff um Kap Horn herum zur Westküste transportiert. Dieses Bild zeigt die Auslieferung von 30 Concord Postkutschen am 17. April 1868 zum Preis von je 2.500 $. Es konnten bis zu 18 Passagiere transportiert werden, 9 innen und 9 außen. Im Museum haben sie eine solche Kutsche nachgebaut, ich habe mich mit einigen anderen Touristen mal testhalber 5 Minuten reingequetscht. Üblicherweise dauerte eine Reise damals drei Wochen, es muss eine unglaubliche Folter gewesen sein, da mitzufahren. Mal abgesehen von der Tatsache, dass die Fahrt damals schon 3.000 $ kostete.


(Dieses Bild ist natürlich nicht im Museum, sondern bei einer Parade in Solvang entstanden - dazu kommen wir noch...)


1877 veröffentlichte der Omaha Herald folgende Tipps für Postkutschenreisende:

  • Der beste Sitz ist innerhalb der Kutsche hinter dem Fahrer. Auch wenn Sie dazu neigen, beim Rückwärtsfahren seekrank zu werden - darüber werden Sie hinwegkommen. Dafür ersparen Sie sich viele Schläge und Stöße. Lassen Sie sich nicht von einem gerissenen Mitreisenden dazu überreden, mit ihm den Platz auf der mittleren Bank zu tauschen!
  • Fahren Sie bei kaltem Wetter nicht mit eng sitzenden Stiefeln, Schuhen oder Handschuhen. Baden Sie Ihre Füße vor der Fahrt in kaltem Wasser und tragen Sie Schuhe und Handschuhe, die 2 oder 3 Größen zu groß sind.
  • Wenn der Fahrer Sie bittet, auszusteigen und zu laufen, tun Sie es ohne Murren, er würde Sie nicht dazu auffordern, wenn es nicht absolut notwendig wäre. 
  • Falls die Pferde scheuen und unkontrolliert losgaloppieren, bleiben Sie ruhig sitzen und vertrauen Sie auf Ihr Schicksal. In 9 von 10 Fällen verletzen Sie sich, wenn Sie abspringen. 
  • Wenn es sehr kalt ist, trinken Sie überhaupt keinen Alkohol, während Sie unterwegs sind. Ein Mensch unter dem Einfluss von Alkohol erfriert doppelt so schnell.
  • Meckern Sie nicht über das Essen, das Sie an den Stationen bekommen. Die Transportgesellschaften bieten üblicherweise das beste Essen, das sie bekommen können. Lassen Sie die Kutsche nicht warten, schon so mancher tugendhafte Mann hat deshalb seine Erziehung vergessen.
  • Rauchen Sie keine starke Pfeife innerhalb der Kutsche, insbesondere am frühen Morgen. Spucken Sie immer auf die windabgewandte Seite. Wenn Sie eine Flasche Alkohol dabei haben, lassen Sie sie in der Kutsche herumgehen. Ein Mensch, der in einer solchen Situation alleine trinkt, ist bar jeglichen menschlichen Gefühls.
  • Lehnen Sie sich nicht an oder stützen Sie sich nicht auf Ihre Nachbarn, während Sie schlafen. Fragen Sie nicht, wie weit es bis zur nächsten Station ist, bevor Sie dort sind. Bringen Sie Kleingeld mit, um ihre Ausgaben zu begleichen.
  • Schießen Sie niemals mit einer Waffe, während Sie unterwegs sind, das könnte die Pferde erschrecken. Das hantieren mit einer Waffe könnte nervöse Menschen nervös machen. Diskutieren Sie nie über Politik oder Religion.
  • Erwähnen Sie nicht, an welchen Stellen der Route schon einmal Reisende umgebracht wurden, insbesondere wenn Frauen mitreisen.
  • Verweilen Sie nicht am Waschbecken. Verwenden Sie kein Haarfett, denn die Reise ist staubig. Binden Sie sich ein Seidentuch um den Hals, um Staub abzuhalten und einen Sonnenbrand zu verhindern.
  • Glauben Sie keinen Moment, zu einem Picknick zu gehen. Erwarten Sie Ärger, Unbequemlichkeiten und einige Mühsal. Falls Sie enttäuscht werden, danken Sie dem Himmel.

Seit 1863 erlaubte die Regierung den Nationalbanken, Geld auszugeben. Zu dieser Zeit gab es allerdings nur Geldscheine (hier ein Schein über 3 Cent). Trotz der Garantie, dieses Geld jederzeit gegen Gold einzutauschen, traute die Bevölkerung in Kalifornien diesem Geld nicht. Sie bevorzugte Goldmünzen, deren Goldgehalt dem jeweiligen aufgeprägten Wert entsprach. So erreichte der "Wechselkurs" für den Papierdollar 1864 seinen tiefsten Stand bei 39 Cents.

Bis 1905 hatte Wells Fargo Büros in Mexiko, Südamerika, Asien und Europa. Für den Zusammenschluss mit der Nevada National Bank (siehe Schein unten) wurden die Bankaktivitäten vom Expressdienst getrennt. Die Bank behielt ihren Sitz in San Francisco und gehört durch weitere Aufkäufe und Fusionen inzwischen zu den zehn größten Banken Amerikas.

Der Expressdienst verlegte nach der Trennung seine Zentrale nach New York. Inzwischen wurde nicht nur Post transportiert, sondern: "Luftschiffe, Automobile, Alligatoren, Beeren, Boote, Kamele, Kakteen, Eier, Möbel, Meerrettich, Juwelen, Milch, Zeitungen, Austern, Klaviere, Fotografien, Erdnussröster auf Rädern, Spiele, Schreibmaschinen, Röntgengeräte, Samen und Marienkäfer, Hefe und Zwieback". 1898 wurde der erste Kühlwagen an einen Zug gekoppelt. 1918 beschlagnahmte die Regierung die Gesellschaft mit mehr als 10.000 Büros weltweit wegen des Krieges und vereinigte sie mit anderen Transportunternehmen..

Eine sehr interessante Ecke in San Diego beschäftigt sich mit Sammlerstücken wie Gürtelschnallen, die Wells Fargo angeblich an seine Fahrer ausgegeben hat oder anderen Gegenständen mit dem Logo oder dem Namen von Wells Fargo. Eine Mitarbeiterin des Unternehmens hat ca. 10 dieser Gegenstände z.B. über Ebay gekauft und untersucht bzw. im Unternehmensarchiv geforscht. Dabei hat sie herausgefunden, dass es nie Gürtelschnallen von Wells Fargo gab. Auch alle anderen ausgestellten (und teilweise recht teuren) angeblichen Originale waren nur mehr oder weniger gute Fälschungen, die sich des Namens bedienen, um Geschäfte zu machen.

Auf den Namen Wells Fargo trifft man heute übrigens immer noch beinahe an jeder Ecke im Westen der USA. Bei der Ballonfiesta in Albuquerque (Bericht folgt) treten sie als einer der Hauptsponsoren auf, mit mehreren Ballons und einem Werbebus*, in dem man an futuristisch gestalteten Arbeitsplätzen Online Banking per Satellitenleitung ausprobieren kann. Ich habe mich allerdings mehr für CNN auf dem Großbildschirm interessiert.

In San Francisco, wo wir durch die Schalterhalle ins Museum gelangen, fällt mir noch was neuzeitliches auf. Habe ich in Deutschland schon mal irgendwo eine Bank gesehen, die in der Ablagefläche, wo Kunden Formulare ausfüllen können, einen Taschenrechner verankert hat? Die Idee an sich ist ja gar nicht so dumm...

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* Das Fotos mit dem Werbebus habe ich der Webseite von Wells Fargo entnommen, da die Qualität doch deutlich besser ist als das, was ich selbst fotografiert habe.