Amerikareise 2001 - Kapitel 59: Rundgang durch die Geschichte

Mit dem Blutzuckerspiegel auf Höchstniveau steuere ich nach Süden. Im Muir Woods National Monument gibt es noch mal Redwoods zu durchwandern, mir fällt aber nix auf, was ich nicht schon in Kapitel 53 erzählt hätte. Zwecks Übernachtung war im benachbarten Mount Tamalpais State Park ein Campingplatz eingezeichnet. Es stellt sich heraus, dass sie mir für 26 DM die Nacht erlauben würden, auf dem Parkplatz zu parken. Das ist ja sozial! Da kurve ich doch lieber noch bis an die Küste, auch wenn's da windiger ist. Am nächsten Morgen präsentiert sich dieses gewisse Wahrzeichen von San Francisco leicht vernebelt. Auch sonst sind die Aussichten eher trübe.

Auf dem Rückweg mit Manfred war das Wetter (teilweise) besser, deshalb mehr zu San Francisco in Kapitel 99. Auf dem Weg nach Süden empfiehlt mein Reiseführer, einen Abstecher zum St. Andreas-Graben zu machen. Die Beschreibung ist allerdings so bescheiden, dass ich ihn mehrfach lauthals verflucht habe, bis ich den Ausgangspunkt des Wanderwegs dann doch noch gefunden habe.

Ratatataaa! Das ist er also. Diese Pfosten stehen genau da, wo sich die Erde beim großen Erdbeben 1906 auftat, um sich zu verschieben. Dank einer recht aufschlussreichen Broschüre dazu weiß ich jetzt immerhin mehr über den tieferen geologischen Hintergrund. Höhepunkt des Wegs ist ein Zaun, der um etwa einen Meter versetzt stehen würde, wenn er damals schon gestanden hätte. Dummerweise (und wie in USA üblich) wurden die zwei Teile erst später gepflanzt und tun nur so, als ob.

Erster Anlaufpunkt in Monterey ist die Touristen-Info. Da bedient mich Karin, die früher mal in Mannheim-Friedrichsfeld gewohnt hat und in der Ami-Wäscherei arbeitete. So klein ist die Welt. Beladen mit einem halben Kilo Papier bin ich auf dem Weg in die Innenstadt. Da hatte einer der Stadtväter in den Sechzigern die grandiose Idee, die Hauptverkehrsstraße in einem Tunnel unter der Altstadt durchzuleiten. So ist eine sehr angenehme Fußgängerzone entstanden (rechts im Bild das Pacific House).

Die dokumentierte Geschichte von Monterey beginnt damit, dass die Bucht 1542 erstmals von Juan Cabríllo gesichtet wurde. Im Jahr 1602 ging dann der spanische Eroberer Sebastian Vizcaíno erstmals hier an Land. Er nannte die Bucht nach dem Sponsor der Reise, dem im Mexiko residierenden spanischen Vizekönig Gaspar de Zuniga y Azevedo, Conte de Monte Rey (Bild). Wirklich interessiert hat sich für die Gegend mangels Bodenschätzen oder sonstiger Reichtümer aber niemand. Erst als Russen und Engländer verstärkt Interesse zeigen, wird der Ort im Jahr 1770 dann tatsächlich besiedelt. Gaspar de Portolá baut ein Presidio (Militärstützpunkt und Verwaltungssitz), während der Franziskanermönch Junipero Serra eine Mission gründet (die Geschichte der Missionen folgt in Kapitel 65).

1775 wurde Monterey die Hauptstadt der spanischen Provinz California, nach der Teilung 1804 von "Alta California". Nach der Unabhängigkeit Mexikos von Spanien im Jahr 1821 werden die Californios automatisch Mexikaner. War es bisher nur spanischen Schiffen erlaubt, Handel mit Kalifornien zu treiben, durften jetzt alle Schiffe anlegen. Besonders Kuhhäute und Talg waren bei den Besuchern gefragte Tauschobjekte. Bevor die fremden Kaufleute ihre Waren verkaufen konnten, mussten sie (zumindest theoretisch) im 1827 gebauten Custom House alle Waren vorzeigen und Zoll bezahlen.

Commodore Thomas Catesby Jones, der Kommandeur der amerikanischen Pazifikflotte, glaubt 1842 fälschlicherweise, die USA hätten Mexiko den Krieg erklärt und besetzt Monterey. Er wird von den Bewohnern mit einer Party begrüßt und von Thomas Larkin, dem ersten (und einzigen) Konsul der USA in Monterey über den Irrtum aufklärt. So entschuldigt sich Jones und segelt wieder ab. Vier Jahre später wiederholt sich das Spiel, sein Nachfolger Commodore John Drake Sloat landet und hisst die amerikanische Flagge am Custom House. Diesmal ist wirklich Krieg, die Californios werden dadurch amerikanische Staatsbürger.

1849 trifft sich eine verfassunggebende Versammlung; ein gewisser Goldfund sorgt für einen ungekannten Zustrom an Menschen. Ein Jahr später wird Kalifornien offiziell Staat der USA, 1856 verliert Monterey den Status der Hauptstadt an Sacramento. Diese und noch viele andere Geschichten erfahre ich während eines Rundgangs durch das historische Monterey. So viel Laufen macht natürlich hungrig, also schaue ich mich doch mal auf der Fisherman's Wharf um.

Da gibt es clam chowder (Muschelcremesuppe) in einem aufgeschnittenen Brot, extrem köstlich und endlich mal eine richtige Abwechslung auf dem Speiseplan. Am Ende der Pier gibt es eine Aussichtsplattform, von der aus man gemütlich Otter, Seehunde und Seelöwen beobachten kann. Der Kollege hier zeigt deutlich, wie stolz er darüber ist, seine eigene Insel zu besitzen.

Heute ist Dienstag, da ist Markt in Monterey. Neben getrockneten Bio-Aprikosen und selbstgestrickten Pullovern ist vor allem das Essen erstaunlich vielseitig. Von Südstaaten-Schneckennudeln über Brasilianische Küche oder Sushi bis zu Spare Ribs und russischen Süßigkeiten ist wirklich alles vertreten, was das an Burger und Pizza gewöhnte Herz eines Touristen höher schlagen und seinen Geldbeutel leerer werden lässt. Einen Bücherbus der städtischen Bibliothek gibt es auch, da entdecke ich dieses Poster, das ich so witzig finde, dass es seit dem mein Bildschirmhintergrund ist:

Am nächsten Morgen ist wieder Geschichte angesagt. Ich habe mir die 10-Uhr-Führung in der Casa Soberanes rausgesucht. Offensichtlich kommen zu dieser unchristlichen Zeit selten Touristen, jedenfalls versetze ich die eifrige Putzfrau ziemlich in Aufregung, als ich auftauche.

Dieses Haus wurde 1842 von einem gewissen Rafael Estrada gebaut. Da es zu dieser Zeit noch keine Steinbrüche oder Sägemühlen gab, wurden die Häuser aus getrockneten Lehmziegeln gebaut, Adobe genannt. Viele alte Häuser in Monterey haben noch diese dicken Mauern, meist allerdings einstöckig und mit einem Vordach über der Veranda.

So bekomme ich also eine persönliche Führung von Monika, der man noch deutlich anhört, dass sie Schweizerin ist, auch wenn sie englisch spricht. Das Innere der Casa Soberanes ist so ausgestattet und eingerichtet, wie es zwischen 1900 und 1920 ausgesehen hätte. In einer halben Stunde erfahre ich alles über Bewohner und Geschichte des Häuschens und staune über das nachträglich eingebaute Bad und die Küche. Neben diesem Herd gibt es noch einen richtigen "Kühlschrank", in den man oben Eis einfüllt, das die darunter gelagerten Lebensmittel kühlt.

Gegenüber der 1794 gebauten Kirche spielen Schulkinder Baseball. Allerdings mit einem Fußball, den der Batter wegkickt. Während ich da noch kopfschüttelnd zusehe, lockt die blühende Hecke vor mir ganz andere Besucher an, die mein Interesse auf sich ziehen (und erstaunlicherweise auch auf den Bildern gut zu erkennen sind).

   

An der Küstenstraße nach Pacific Grove liegt das Monterey Bay Aquarium. Mehr dazu auf dem Rückweg in Kapitel 92. Danach führt die Straße zwischen noblen Villen auf der einen Seite und Felsen mit kräftiger Brandung auf der anderen Seite hindurch. Das macht was her. Auch der Golfplatz mit Leuchtturm lässt sich sehen. Besonders sehenswert fand ich allerdings diesen Camper, der wohl einige Stunden Arbeit erfordert hat, bis er so aussah. Zumindest bitten die Einwohner mit dem Topf im Vordergrund um Spenden. Wie schnell man damit wohl auf der Autobahn fahren kann, bis sich die ersten Bestandteile verabschieden?