Amerikareise 2001 - Kapitel 4: Mein neues Zuhause

Der Radiowecker zeigt kurz vor acht, als ich von den Toten auferstehe. Vor dem Fenster baut sich die Skyline von Calgary mit schneebedeckten Bergen im Hintergrund auf – nicht schlecht für den Anfang.

Nochmal richtig duschen, während der 24-Stunden-Wetterkanal berichtet, dass irgendein Kaff in der Nähe einen neuen Rekord aufgestellt habe, Tageshöchsttemperatur im Juni unter 10 Grad Celsius. Na klasse. In Ontario ist gerade ein neuer Waldbrand ausgebrochen, aber für meine Gegend wird es wohl eher kühl, wenigstens nicht nass. Kurz nach neun klingelt mein Telefon. Ein freundliches Mädel von der Autovermietung erzählt mir, ich würde in 10 Minuten abgeholt, es sei ein weißer Van. Eigentlich hätte ich dort anrufen sollen, wenn ich soweit bin – aber na gut. In der Lobby wird es dann schnell klar: da stehen zwei Deutsche, die mit ihrer Autovermietung vereinbart hatten, um 9 abgeholt zu werden und sich gerade beim Portier erkundigen, ob sich denn noch niemand für sie gemeldet hätte. Also habe ich ihnen großzügig „meinen“ Abholer überlassen und bei Alldrive angerufen. Ja, er kommt in etwa 30 Minuten mit einem weißen Van. Fein. Draußen gabs eine Bank in der Sonne. Da habe ich mich mit meinem Gerödel aufgebaut und erstmal ein wenig Tagebuch geschrieben (das Tagebuch mit Tasten und Bildschirm). Während ein deutsches Ehepaar versucht, in ein mittleres Wohnmobil ein Schlauchboot samt Motor zu verladen (wie haben die das im Flieger transportiert??) rollt ein weißer Van ein. Doch wieder falscher Alarm, auch der Kollege ist von der Konkurrenz. Der dritte weiße Van gehört dann tatsächlich mir, drin sitzt Otto, ein früherer Österreicher. Der macht mit mir erstmal eine halbe Stadtrundfahrt, dann sind wir im Alldrive-Headquarter.

Meine neue Heimat steht schon da (vorne links im Bild) und wird gleich mal inspiziert. Im Augenblick sieht er klasse aus – so sauber! Erst erledigt Sandra (unten, linkes Bild) noch einen Stapel Papierkram mit mir. Dann ist Heinz (unten, rechtes Bild), der Chef persönlich dran: Heizung, Warmwasser, Abwasser, Pumpe, Kühlschrank, was geht wie? Dabei fällt auf, dass ich zwar 3 Batterien für den Wohnbereich habe, aber keine einzige Steckdose, wo ich den Saft abzapfen kann. Und das, obwohl Notebook, Rasierer, Telefon und Ladegerät für Kamera-Akkus alle gerne Strom hätten. Doch das wird unbürokratisch geregelt. Otto kauft schnell eine Dose, die Ruck-Zuck eingebaut wird.

 

Dann geht’s richtig los. An die Dimensionen meiner Kiste habe ich mich schnell gewöhnt, und nach zwei Vollbremsungen ist mir auch wieder klar, dass der linke Fuß vergeblich eine Kupplung gesucht hat... Da das Auto für Kanada gebaut ist, sehe ich km/h und Grad Celsius im Thermometer, fast wie daheim. Was soll eigentlich der Buchstabe W über der Temperatur, der sich in SW ändert, dann wieder in W? Es hat etwas gedauert, bis mir klar wurde, dass da ein Kompass mit mir spricht. Die spinnen, die Amis!

Für alle, die etwas genauer hinschauen möchten: Das ist der 6,2 Liter Achtzylinder (früher waren Kleinwagen so groß wie dieser Motorraum, glaube ich ...). Ich fahre einen 2001er Chevrolet Silverado 2500 HD extended cab long box. Wem das nix sagt - hat es mir vorher auch nicht.

Und das ist der Camping-Aufsatz von hinten ...

... und von innen. Links die Toilette (da passe ich aber nur rein, wenn ich die Tür auflasse!), dann die Kochecke, die Spüle, hinten oben ein sehr geräumiges Doppelbett, Rechts der Kühlschrank und die Heizung, davor die Sitzecke. Insgesamt doch sehr geräumig, zumindest für 1-2 Personen und wenn man sein halbes Camping-Leben in einem umgebauten VW-Bus zugebracht hat.