Amerikareise 2001 - Kapitel 16: And're Länder, and're Sitten

(Toronto, Teil 3)

Vielleicht sollte ich noch von meinem Heimweg vom Blue Jays Spiel erzählen (Keine Angst, ich fange nicht wieder an, mit Baseballchinesisch um mich zu werfen!). Zunächst galt es, den Weg zum U-Bahnhof zu finden. Das war einfach, da mußte ich nur den anderen Zuschauern hinterherlaufen. Unterwegs fällt mir mal wieder auf, wie sehr sich unsere Werbestrategen noch was von den Kanadiern abgucken können - ist das nicht goldig?

In der Union Station bleibe ich dann zunächst an einem Laden namens Cinnabon hängen. Sie verkaufen, wie der Name schon verrät, cinnamon rolls, zu gut deutsch Schneckennudeln. Ich erstehe eine solche, noch so warm, dass man sie kaum essen kann und dermaßen voller schmieriger Schokosoße, dass ich hinterher aussehe wie ein dreijähriger, der mehr Spinat im Gesicht als im Magen hat. Aber gut war's.

Dann wird's lustig. Die Kanadier halten es für überflüssig, in den U-Bahnhöfen Streckenpläne aufzuhängen, die gibt es erst, wenn man in den Zug eingestiegen ist, das steigert die Spannung. Die Streckenführung ist etwa wie ein großes U, der Bahnhof, an dem ich gerade stehe, befindet sich genau unten in der Mitte. Die Bahnsteige sind mit dem Namen der Endhaltestelle und "northbound" bezeichnet, nur dass es natürlich dummerweise in beide Richtungen nach Norden geht. Sehr komisch. Ich werfe eine Münze und stelle nach dem Einsteigen fest, dass ich richtig geraten habe. Als Zahlungsmittel benutzt man einen Token, der etwas kleiner als unser 1-Pfennig-Stück ist. Den wirft man in einen Schlitz und ist 'drin'. Da es keine kontrollierbaren Fahrkarten gibt, wird das Umsteigen in den Bus natürlich schwierig. Die Bussteige sind alle auf Straßenniveau, umgeben von einem imaginären Zaun (nur imaginär, die Busse müssen ja rein und rausfahren können). So muss man also die Treppe runter und drüben wieder hoch, wenn man zum Bussteig nebenan laufen will. Das wäre ja geistig noch zu bewältigen, wenn sie nicht auch bei den Bussteigen auf einen Linienplan und einen Fahrplan verzichtet hätten. Wer hier Bus fährt, weiß schon, wo er hin will und wann der Bus fährt. Oder er hat, wie ich, gewisse Probleme. Zu diesem Zeitpunkt hat sich Toronto noch um die Ausrichtung der Olympischen Spiele beworben. Vielleicht haben sie den Zuschlag ja nicht bekommen, weil die Leute vom IOC hier mal mit öffentlichen Verkehrsmitteln gefahren sind - wer weiß? Oder lag es an der "Werbung" an der Bushaltestelle?

A propos Bus. Wer in Toronto mit dem Bus fährt, kann sich schon mal wie in der UNO-Vollversammlung fühlen: die 20 Leute, die ich gezählt habe, verteilen sich auf 1 x China, 2 x Korea, 2 x Philipinen, 8 Europäer (davon 1 x Irland oder so), 2 x Afro-Amerikaner (Schwarze sagt man ja nicht mehr),  2 x Inder oder Pakistani, 2 x irgendwas Lateinamerikanisches und einen Native (früher Indianer). Das wirklich Begeisternde an der Sache? Sie haben alle ihre Küche mitgebracht. Hier kann man in 10 Minuten zu Fuß von original chinesisch (mit frisch gepreßtem Zuckerrohrsaft) zum Fast-Food Inder (mit richtig echter Mango-Lassi) laufen. Ich fühle mich wie in Hong Kong oder Delhi, nur ohne die Sorgen um Trinkwasser & Co. Das ist klasse!

 

So wandere ich also den Markt entlang, und überlege mir, was das (links) wohl für Früchte sein könnten. Um die Ecke verwandelt sich das Ambiente eher in einen Basar, wo ein Laden bis unter die Decke vollgestopft ist mit Stoffbahnen. Zwei Häuser weiter hat ein Händler Hülsenfrüchte und Kerne in allen Farben aufgebaut.

Etwas weniger sympathisch finde ich einen Laden, wo Blumenkohl mit blau-grünem Schimmel angeboten wird. Und zwei Läden weiter bewundere ich insgeheim Menschen, die Tintenfisch mögen, der aussieht, als sei er gerade mit Rostschutzmittel gestrichen worden.

Das sind ganz ordentliche Kawenzmänner! Ich habe die Kamera gerade wieder weggepackt, als mir auf dem Gehweg zwei Schweine entgegenkommen. Und zwar nicht im übertragenen Sinne, sondern im getragenen. Das ist so: In Chinatown gibt es so ziemlich alles, nur keinen Parkplatz. Also transportieren sie die Schweine vom Kühl-Lkw über den Gehweg in den Laden, und zwar geschultert. Bis ich die Kamera wieder schußbereit habe, erwische ich den Lieferanten natürlich nur noch von hinten und mit dieser netten Dame im Vordergrund. Ich hoffe, Ihr könnt es Euch auch so vorstellen.

Larry führt mich übrigens gerade zu seinem Lieblings-Vietnamesen, da gibt es mittags zum Pauschalpreis von 12 DM Suppe, Salat, Frühlingsröllchen und süße Hühnerteile mit Reis und gekühlten Tee (seeehr angenehm bei der Hitze). Über die Herkunft der Köstlichkeiten mache ich mir jetzt lieber keine Gedanken ...