Amerikareise 2001 - Kapitel 17: Moneten und Musketen

Nach soviel moderner City drängt es den Bewohner von Toronto aufs Land. Also lade ich Laurence und Larry samt ihrer Fahrräder in meinen Camper und fahre um den Ontariosee herum nach Süden. Niagara-on-the-lake ist das, was man als Touristenort bezeichnen würde. Eine Straße voller feiner Geschäfte, Eisdielen und nobler Restaurants, fein herausgeputzt, voller Blumen und überall schön sauber.

Am Niagara River entlang schlängelt sich ein wunderschöner Radweg. In Queenston Heights hat man einen wunderschönen Blick über die Gegend, wenn man erstmal das Rad den Berg hochgeschoben hat (oder Jan Ullrich heißt). Und weil mir das noch nicht reicht, erklimme ich auch gleich noch das Monument zu Ehren von Major General Isaac Brock (der ist hier am 13. Oktober 1812 gefallen), 235 Stufen eine enge Wendeltreppe hoch. Oben habe ich absolut keine Luft mehr und einen Drehwurm. Auf dem Rückweg der Riesentour (10 km einfach) tut mir ordentlich der Hintern weh - ein Glück, dass es jetzt bei Mitwind abwärts geht. Wenn ich mir allerdings die Leutchen ansehe, die auf unserem Weg die letzten Kilometer ihres 50 km-Marathonlaufs absolvieren, geht es mir auf meinem Rad doch gleich wieder besser.

Zeit für etwas sightseeing. Fort George wurde zwischen 1796 und 1799 von den Briten errichtet. Im Herbst 1812 wurde es von den Amerikanern (gegenüber auf der anderen Flußseite im Fort Niagara) erstmals beschossen, 1813 dann zerstört. Die Amerikaner haben es erobert und im Herbst 1813 instandgesetzt. Im Dezember verließen sie Fort George wieder und wurden von den Briten auch aus dem Fort Niagara vertrieben. Danach war der Grenzstreit erledigt und das Fort verfiel. Heutzutage wird es jeden Sommer von Touristen gestürmt.

Zu ihrer Unterhaltung treten kostümierte Volksmusiker auf. Dummerweise haben sie sich so im Kreis aufgestellt, dass man eigentlich nur immer ihr Hinterteil aufs Foto bekommt. 

Das ändert sich glücklicherweise bei der Flaggenparade, da wird der Union Jack nämlich künstlerisch gefaltet, dann müssen sie laufen, und zwar alle in eine Richtung.

Derweil stehen die Rotröcke mehr oder weniger in Reih und Glied. Warum die Uniformen rot sind? Weil damals rot der billigste Farbstoff war, den die Armee bekommen konnte (indigo-blau war viel teurer) und weil man rot ganz gut erkennt, um nicht versehentlich auf die eigenen Leute zu schießen.

Dazu hat mich ein Leserbrief von Steffen erreicht: "Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, war Rot als Uniform auch deshalb gefragt, weil dann das Blut nicht so auffiel - es macht sich nicht so schnell Panik breit, wenn Leute verletzt wurden... (Stell Dir mal eine weiße Uniform vor und jemand wird angeschossen!)"

A propos Schießen. Wir bekommen eine ausgesprochen unterhaltsame Vorführung zum Thema Musketen. Ich hatte mir beispielsweise nie Gedanken darüber gemacht, warum immer eine Reihe von 50 Soldaten gleichzeitig geschossen haben. Lösung: die Teile streuen schon auf 20 Meter so stark, dass ein einziger Mensch nie im Leben einen Feind getroffen hätte. Dann zeigt uns der Hobby-Soldat, dass es nach jedem Schuß mindestens 30 Sekunden geht, bis er nachgeladen hat und wieder schußbereit ist. So nach dem Motto: wo ist der Pause-Knopf für die Schlacht, ich muss nachladen. Da ist ein Schauspieler verlorengegangen ...

Weil die Welt damals noch in Ordnung war, finden sich die Frauen ... in der Küche! Sie sind nicht nur so angezogen wie damals, sie versuchen auch gerade, das alte Küchengeschirr mit so einer Art Kernseife zu reinigen, alles möglichst originalgetreu. Wasser wird im Kessel über dem Feuer erhitzt, das macht die Küche erst richtig warm (mir ist draußen schon zu heiß).

Derweil macht die Dame aus der Bäckerei gerade Kaffeepause...

Damit habe ich den vorerst östlichsten Punkt meiner Reise erreicht, ab sofort geht es zurück nach Westen, der untergehenden Sonne entgegen.