Amerikareise 2001 - Special (18): Nahrhaftes

Die Idee, mal ein halbes Jahr oder so durch fremde Lande zu gondeln hat als Hauptzweck natürlich nicht nur, alle möglichen Nationalparks und Museen abgeklappert zu haben. Ich möchte auch Land und Leute näher kennen lernen. Wenn man hier Amis trifft, die schon mal in Deutschland waren, fangen sie sofort an, von Bier und Backwaren zu schwärmen. Da kann ich mich an was erinnern: Meine Frage an Jim, der ursprünglich Detlef hieß und mit seinen Eltern nach Australien ausgewandert ist, was er am meisten an Deutschland vermisst, beantwortet der mit "Laugenbrötchen". Meine Frage an einen Ami, den wir in Indien im Bus treffen und der schon ein halbes Jahr durch Asien unterwegs war, was er am meisten vermisst, beantwortet der mit "homemade apple pie". Und dann waren da noch Manfred und Uwe, die nach 7 Wochen Entzug in La Paz in diesem schweizer Restaurant wie Süchtige über das Geschnetzelte hergefallen sind, nach all dem trockenen Steak mit Reis und Gemüse ohne Soße.

So ein Reisebericht (insbesondere wenn er von mir ist) wäre also nicht komplett ohne einen Blick auf den Speisezettel. Wenn man an amerikanisches Essen denkt, fällt natürlich sofort das Stichwort Fast Food und McDonald's. Den gibt es natürlich hier drüben reichlich, ich habe mir allerdings vorgenommen, nur im höchsten Notfall bei "rusty arches" zu essen. Bisher habe ich immer noch was besseres gefunden, auch wenn die Lockmittel (hier in Sault St. Marie, Kanada) bisweilen ganz hübsch sind. 

Bei der Vorbereitung der Reise habe ich natürlich mit einigen Sorgen an meine letzten USA-Aufenthalte zurückgedacht. Beispielsweise an diesen Laden in New Orleans, der original französisches Baguette verkauft hat. Dummerweise standen die hungrigen Kunden um den halben Straßenblock herum Schlange und wir deutschen Touristen haben verzichtet. Oder die Geschichte, an die sich mein Bruder sicher gerne erinnert: Wir hatten unser Zelt auf diesem Campingplatz aufgestellt, wo die Schranke des State Park um 18 Uhr geschlossen wurde. Wer bis dahin nicht drin war, hatte Pech. Wir waren also vorher nochmal einkaufen. Nach ein paar Wochen Doddelbrot mit Oscar Mayer's Bologna (das war alles, was zu bekommen war) hatte ich ein gewisses Verlangen nach Abwechslung und erstand in diesem Supermarkt einen "angel food cake", der von außen wie ein Gugelhupf aussah und einen Liter Kakao. Als es (nach sechs Uhr!) ans Futtern ging und mein Kuchen beim Schneiden nachgab, als ob man ein Stück Schaumgummi schneiden möchte, war ich ja noch zuversichtlich. Der Geschmack war allerdings durchaus mit Schaumgummi zu vergleichen, ungenießbar. Als ich also den Kakao anzapfe, schmeckt der wie eine Mischung aus Süßstoff und Desertsoße "Schoko", auch verdünnt kaum bis nicht genießbar. So bin ich reumütig zu Doddelbrot, Bologna und O-Saft zurückgekehrt, mit einem triumphierenden Bruder auf dem Fahrersitz.

Umso erstaunter war ich also, als ich in Calgary den ersten Supermarkt geräubert habe. Da haben sie mir Dimpflmeier's Roggenbrot, "hergestellt mit Natur-Quellwasser", verkauft. Und das schmeckt tatsächlich so, als sei es zu Hause gekauft.

An der Wursttheke wartet die nächste Überraschung. Auch richtige Salami (hier german salami genannt, wir würden sie wahrscheinlich ungarisch nennen), Kalbsleberwurst und Zungenwurst verkaufen sie mir. Und "black forest ham", über den ein richtiger Schwarzwälder aber nur lachen würde. Es handelt sich nämlich nach wie vor um gekochten, nicht um geräucherten Schinken. Bisweilen erlebt man so seine Überraschungen, z.B. bei dieser Kalbsleberwurst, die innen halb aus Paprika bestand, ohne dass außen was draufgestanden hätte. Oder das "Vollkorn-Roggenbrot", das ich neulich erstanden habe. Die einzigen Körner darin waren Kümmelkörner (macht sich mit Marmelade nicht so klasse), aber an sich war das Brot köstlich. In den Staaten ist das mit dem "richtigen" Brot übrigens lange nicht so einfach wie in Kanada. Aber immerhin hat jetzt jeder Supermarkt, der was auf sich hält, eine eingebaute Bäckerei, wo es sehr gute bis essbare Weißbrote gibt, die nichts mehr mit dem Doddel-Toastbrot von damals zu tun haben (das es natürlich immer noch gibt). 

Wo wir gerade beim Einkaufen sind. Zuerst mal muss man hier rausfinden, welcher Laden was verkauft, an den meisten steht nämlich nicht dran, was sie verkaufen. So kann es einem Anfänger wie mir schon mal passieren, dass er bei Zeller's die Regale rauf und runter geht, ohne essbares zu entdecken. Aber man lernt schnell, nach Fred Meyer oder QFC (nicht zu verwechseln mit KFC!) Ausschau zu halten. Umso größer werden dann natürlich die Augen, wenn ein solches Schild an der Straße steht:

Drinnen sieht es haargenau so aus wie daheim. Nur die Produkte sind natürlich von einheimischen Lieferanten. Das Konzept, nicht Alles und möglichst keine Markenprodukte, aber extrem billig zu verkaufen, haben sie auch hier beibehalten. Der wechselkursgeplagte Tourist deckt sich also dankbar und reichlich mit Konserven und anderem Haltbarem ein.

A propos Dollarkurs. Eine der wenigen deutschen Spezialitäten, die es in Amerika nirgends gab, war Nutella. Ich erinnere mich noch an die Familie Carlo aus Florida, die gleich mehrere Gläser mit nach hause transportiert haben. Inzwischen gibt es auch das hier zu kaufen (bei den Brotaufstrichen, gleich neben dem Glas Vegemite), allerdings wollten sie für das 350 Gramm Glas (etwa halb so groß wie das kleinste Glas in Deutschland) knapp 9 DM. Der vorausschauende wechselkursgeplagte Tourist hat deshalb einen Vorrat mitgebracht. Man stelle sich vor: in Canmore, Alberta um 9 Uhr am Sonntag morgen im Supermarkt ein frisches original-französisches Weißbrot gekauft (noch richtig warm!) und mit Nutella gegessen. Das ganze in strahlender Sonne mit Gebirgspanorama, versteht sich. So stelle ich mir das Paradies auf Erden vor!

Bei Butter blinkt allerdings schon wieder die Warnlampe. Wer nicht aufpasst, bekommt ein Produkt wie "tastes like butter" verkauft, das natürlich nur Margarine ist. Oder man hat den kleinen Balken rechts unten in der Ecke übersehen, der "salted" sagt und fühlt sich wie in Skandinavien oder Spanien, wo sie auch Salz in die Butter rühren - brrr! Auch bei der Milch bietet sich die Qual der Wahl. Es gibt Vollmilch, 2 % Fett, 1 % Fett und 0 % Fett, auch fettfrei genannt. Wenn man letztere über Corn Flakes gießt, sieht sie schon etwas dünn-blass aus, zugegeben. Aber ansonsten schmeckt sie mir gut (und der Linie schaden kann's auch nicht). Dazu gibt es Buttermilch in 3 % und 1 % und Schokomilch und Sojamilch und Milch mit lebenden Milchsäurebakterien (wohin sie drehen, habe ich bisher nicht rausgefunden :-) usw. Um es noch etwas einfacher zu machen, gibt es pint, quart und half gallon Tüten (in Kanada sind das dann 1,89 Liter) sowie half gallon und gallon Kanister.

Am meisten Spaß macht natürlich der Vergleich zwischen unterwegs und daheim. Da sehe ich z.B. das Langnese-Logo, in Kanada verständlicherweise nicht Langnese genannt, sondern eben Good Humor (ich erinnere mich, dass in Frankreich und Spanien auch was anderes dran stand). In der Eistruhe ist übrigens ein komplett anderes Sortiment als bei uns, z.B. Eistee-Eis oder zwei große Cookies mit Eiskrem zwischendrin. Um ehrlich zu sein, daheim schmeckt's mir besser, deshalb suche ich mir hier meistens einen der wenigen Italiener, die wohl überall auf der Welt das beste Eis machen.

Als Deutscher kennt man A&W, wenn überhaupt, nur als eine Root Beer Marke (und wenn man Helle heißt, dann mag man dieses zahnpastaähnliche Gebräu auch noch). In Nordamerika steht der Name A&W aber für eine Fast Food Kette, die ihre Hamburger in eine Familie einsortiert haben. Das Sonderangebot heißt also: 2 Mama Burger für 3 $. Aber Burger gibt's ja überall, und das Hausgetränk mag ich dann doch nicht so sehr ...

Eine andere Kette, die es vor allem im östlichen Kanada reichlich gibt, ist Robin's Donuts. Da bin ich mehr durch Zufall auf ein Backwerk namens Bismark (ohne das "C" von Otto von) gestoßen. Das ist ein schokoglasierter Krapfen mit Eierlikörfüllung (für alle Labitzkes: wie die guten Hoggemer von der Frau Bantallion). Mhhhmmm!!

 

Auf beinahe jedem Markt oder jeder County Fair findet sich ein Stand, der Funnel Cakes verkauft. Das ist ein süßer Teig, der aus einer Kanne in heißes Fett gegossen wird und hinterher wie ein mehrlagiges Spätzlegitter aussieht. Das gibt's dann mit Puderzucker oder, wie dieses Exemplar, mit babbsüßer Blueberry-Soße. Übrigens angeblich ein traditionelles holländisches Gericht. Ich war ja nun schon ein paar mal dort, aber Funnel Cake habe ich noch nie gesehen. Was sagen unsere Experten? Ellen?

Antwort von Ellen: "den Begriff habe ich schon mal gehört aber in Holland habe ich das weder gesehen noch gegessen."

Ihr seht schon, ich konzentriere mich mal wieder auf Süßes. Tatsächlich, ich muss zugeben, dass ich mich (zumindest die ersten zwei Wochen) beinahe von Muffins jeglicher Art ernährt habe. Die sind hier im 12er Pack billig und ausgesprochen köstlich, vor allem die mit Beeren und Streuseln. Inzwischen ist da aber auch eine gewisse Sättigung eingetreten. Was nicht heißt, dass ich mich nicht an "milk and cookies" gewöhnen könnte.

Was ein richtiger Alaskafahrer sein möchte, muss natürlich unbedingt mal bannock probiert haben. Zu Zeiten der Trapper und Goldsucher war dieses Brot Grundausstattung. Es wird aus Sauerteig, Mehl, Wasser, Backpulver und Salz hergestellt und dann entweder in der Pfanne oder in heißem Fett gebacken. Hier in der Ausführung mit Käse.

Wo wir gerade bei Käse sind. Käse wie Butterkäse, Camembert oder Brie kennen nur die Kanadier, die Amis führen sowas unter "Luxusartikel" und kleben entsprechende Preise drauf. Bezahlbar ist alles, was künstlich aussieht und schmeckt, wie z.B. der Scheibletten-Typ. Da habe ich neulich diese Sandwich Singles erworben und erst später gelesen, was ich da eigentlich esse.

Würdet Ihr etwas kaufen, das sich "pasteurisiertes Schmelzkäse-Imitat Lebensmittel" nennt? Ich habe, und es schmeckt wie Käse. Die Zutatenliste liest sich folgendermaßen: Wasser, Sojabohnenöl, Kasein, modifizierte Speisestärke, Salz, Sodium-Phosphat, Sodium-Aluminium-Phospat, Sodium-Citrat, Sorbinsäure (Konservierungsmittel), natürliches Aroma, Milchsäure, Annatto und B-APO-8'-Karotin (als Farbstoffe).