Amerikareise 2001 - Kapitel 19: Noch 'n Fort

Wenn in Verbindung mit Nordamerika das Wort "Fort" erwähnt wird, denkt man (zumindest ich bisher) zuerst an ein paar versprengte Soldaten, die sich gegen eine Horde Indianer verteidigen (müssen). Dann kriege ich zuerst ein Fort zu sehen, in dem sich Amerikaner und Engländer beschossen haben (Kapitel 17 Fort George) und jetzt das hier. In diesem Fort wurde nie gekämpft, es ging einzig und alleine um den Inhalt dieser Stoffballen.

Wir schreiben das Jahr 1815. Die Hudson Bay Company hat vom Englischen König das Monopol für den Handel im Gebiet der Hudson Bay und aller Zuflüsse übertragen bekommen. In letzter Zeit verliert sie immer mehr "Marktanteile" an eine 1784 gegründete Gesellschaft namens North West Company, die weiter in den wilden Nordwesten vordringt. Während die Hudson Bay von ihrer Zentrale in London Angestellte in Handelsposten schickt, wurde die North West Company von mehreren überwiegend schottischen Partnern gegründet, die mit ihren Kanus direkt zu den Indianern fahren und damit den Hudson Bay Leuten die besten Biberpelze wegschnappen. Fort William war damals das "inland headquarter", ihren Sitz hatte die Gesellschaft in Montreal. Benannt ist das Fort nach William McGillivray, Chef der NWCo von 1804 bis 1821.

Der Palisadenzaun mit den Wachtürmen am Ufer des Kaministiquia River diente nie der Verteidigung sondern nur einer gewissen "corporate identity". Hier wurde friedlicher Handel mit den Indianern getrieben, vor allem diente Fort William aber als Zentrallager für die weiter westlich liegenden Handelsposten. Einmal jährlich im Sommer sind für etwa 3 Wochen "Renzdevous days". Die Partner treffen in Birkenrinde-Kanus ein, die üblicherweise von französischen "Voyageurs" gepaddelt werden. 

Die Partner werden mit Kanonenschüssen und einem Gläschen Hochprozentigen begrüßt. Die Kanonen machen auch heute noch einen ordentlichen Krach und reichlich Rauch.

Die verschiedenen Felle werden hier sortiert, gewogen und für den Weitertransport nach Osten verpackt. Hauptsächlich werden Biberpelze gehandelt, die in Europa zu Hüten verarbeitet werden und gerade stark in Mode sind - gut fürs Geschäft.

Eingetauscht werden Stoffe und Decken, Geräte und Werkzeuge, Waffen, Lebensmittel und Alkohol. So kostet eine große graue Decke etwa 6 Biberpelze, eine blaue Decke 8 (die Farbe ist teuer ...) oder ein Gewehr 12 Pelze. Feilschen ist erlaubt. Für die Partner gibt es natürlich auch einen Laden, der vom Schmuck für die Dame über die Zahnbürste bis zum Frack alles bietet, was man in der Wildnis so braucht.

Darüberhinaus haben wir diverse Handwerker und reichlich Landwirtschaft, Küche und Bäckerei, einen Arzt/Apotheker und eine Bücherei zu bieten. Und weil wir in Kanada sind, kommen auch die einheimischen Pelz-Zulieferer nicht zu kurz. Vor dem Fort sind Wigwams mit Orignial-Einrichtung und entsprechenden Bewohnern aufgebaut. Sehr authentisch, wenn man mal großzügig darüber hinwegsieht, dass das kostümierte Indianermädchen dummerweise blond ist ...

Übrigens: die Geschichte hat kein Happy-End: die North West Company wurde 1821 von der Hudson Bay Company "geschluckt", nachdem die Geschäfte bei beiden Gesellschaften nicht mehr so gut liefen.