Amerikareise 2001 - Kapitel 20: Trans-Canada Highway

Wenn man Trans-Canada Highway hört, denkt man üblicherweise sofort an Weite und Einsamkeit. Das gilt natürlich nicht für alle Teilstrecken der am 3. September 1962 offiziell fertiggestellten, etwa 7800 km langen Straßenverbindung von St. John's, Neufundland nach Victoria, British Columbia. Aber gerade das zuletzt gebaute Stück in Ontario nach Manitoba wird wohl überwiegend von Touristen benutzt. Kanadier, vor allem Trucks, sieht man kaum. Die Wirtschaftsbeziehungen verlaufen nach wie vor nur in Nord-Süd-Richtung, die Straßen sind ziemlich leer und der Spritpreis erreicht Rekordhöhe (1,20 DM/Liter - Toronto: 0,85 DM/Liter). 

Auf einigen Strecken kann man die Weite dieses Landes tatsächlich spüren. Vor allem zwischen Manitoba und Saskatchewan (da, wo die Robben gejagt werden :-) wird die Gegend noch etwas baumärmer und trostloser, als auf diesem Stück. Vielleicht steigt deshalb die zugelassene Höchstgeschwindigkeit von 90 (Ontario) über 100 (Manitoba) auf 110 (Saskatchewan). 

Die hellen Flecken auf dem Bild oben sind übrigens ehemalige Insekten. Von vorne sieht das je nach Region unterschiedlich aus. Mal sind Mücken, mal Libellen und mal Schmetterlinge dran:

Beinahe wie aus dem Märchen kam mir diese Insel vor, die in einem kleinen See nördlich des Lake Huron gerade aus dem Morgennebel auftaucht. Bis ich das "perfekte" Bild habe, sind allerdings die Hosenbeine und die Ärmel klatschnass, weil ich mich ein Stück durch den nassen Wald kämpfe.

Den Eindruck von Einsamkeit kann man da schon bekommen, auch wenn es nirgends komplett Menschenleer ist. Aber die Leute verteilen sich eben in dem riesigen Land. Wo könnte man bei uns schon sein Auto mitten auf der einspurigen Holzbrücke abstellen (über eine Bucht des Lake Superior nach Nicol Island bei Rossport, Ontario) und 10 Minuten durch den See waten, um Bilder zu machen?

Wo wir gerade bei großen Entfernungen waren. Bei der Umstellung von Meilen auf Kilometer hat sich da wohl jemand etwas verrechnet ...

Scherz und Dauerlauf beiseite, auf den langen Strecken kommen einem schon die eigenartigsten Ideen, wenn man so stundenlang vor sich hinfährt und der letzte empfangbare Radiosender gerade mal wieder Werbung für den Foukswääggen Golf macht: ich soll ihn wegen seines besonders niedrigen Verbrauchs von 64 Miles per Gallon (wohlgemerkt die abgeschafften imperial Meilen je abgeschaffte kanadische Gallon) kaufen. Auch wenn ich im Mathe-Unterricht in der zweiten Klasse öfter Rechenkönig beim Kopfrechnen wurde, hätte mir das Umrechnen von Sprit je Einheit Entfernung (Europa) auf Entfernung je Einheit Sprit (Amerika) schon gereicht. Aber für so einen Kettensatz brauche ich dann ein Stück Papier, oder doch gleich mein Excel. Und nur zum Vergleich: meine Karre macht gerade mal 10 Miles per Gallon!!

Zurück zu was Einfachem. Einfach wunderschön sind die Sommerblumen am Straßenrand. Ich widerstehe der Versuchung nur mühsam, alle paar Kilometer anzuhalten und Fotos zu schießen, auf denen dann doch wieder nur ein kleiner Teil zu sehen ist. 

Ein Hinweisschild im Lake Superior Provincial Park bringt mich dann allerdings dazu, zu halten. Es geht zu den Felszeichnungen der Ojibwa-Indianer am Agawa Rock. Dieser nette Felsen ist vom See her schön zu sehen, für die landbasierten Touristen ist es aber ein ziemliches Gekraxel über den schrägen, glitschigen Felsen, um die Werke zu bewundern. Es handelt sich um deutlich erkennbare Bilder, deren Deutung aber bisweilen zufällig erscheint. So könnte man bei diesem Bild vermuten, die Dinosaurier seien damals noch nicht ausgestorben gewesen.

Das Mädel, das hier die Aufsicht hat, erzählt: „Die vier runden Punkte da könnten, Monde, Sonnen, Bälle oder so etwas sein“. Ja, ganz eindeutig. Während ich draußen auf dem Highway weiter nach Westen fahre, entdecke ich einige Felszeichnungen, die wahrscheinlich jüngeren Datums sind - die wissenschaftlichen Ergebnisse stehen noch aus. Rechts ist eine schwangere Indianerin in ihrem Kanu zu sehen, die mit zwei Melonen jongliert. Sie fährt gerade durch eine Art Buchstabendschungel, da fehlen den Experten aber noch weitere Details.

So lasse ich also die wunderschön gelegenen Kakabeka Falls links liegen, den Fußweg weiter nach unten haben sie dummerweise wegen Bärengefahr gesperrt.

In Winnipeg, Manitoba angekommen wird zuerst die Royal Canadian Mint besichtigt (Euch schon aus dem Preisrätsel bekannt). Als ich da rauskomme, habe ich noch genau eine halbe Stunde, um es zur Führung durch den Exchange District, die "Altstadt" zu schaffen. Also Bleifuß wo möglich, schnell geparkt und das letzte Stück geradelt. Eine Minute vor zwei, Glanzleistung. Am Info-Pavillon stellen wir nach 10 Minuten Warten fest, dass ich der einzige Teilnehmer dieser Führung bin. Weil mein letztes Kleingeld im Parkscheinautomaten verschwunden ist und der Guide, ein Österreicher aus dem Salzkammergut, nicht wechseln kann, geht er gratis mit mir spazieren.

Zu sehen gibt es unter anderem das "Pantages", eines von vielen Theatern einer Kette, die ein ausgewanderter Grieche namens Alexander Pantages gebaut hat. Drinnen gab es für 5 Cent Non-Stop Shows von diversen Künstlern zu sehen, die unter Vertrag standen und von Ort zu Ort geschickt wurden. Außerdem krabbeln wir in einem Trödelladen in den Keller, um die unterirdische Heißluftverteilung von 1900 zu bewundern, diese Kanäle verbinden bis heute die meisten Gebäude.

Als die Canadian Pacific Railroad 1881 den Red River erreichte, entstanden hier innerhalb weniger Jahre Warenhäuser und Banken, die den kanadischen Westen versorgten. Nachdem in den 50er Jahren noch eifrig abgerissen wurde (unter anderem das wunderschöne Backstein-Rathaus, das jetzt durch einen Betonklotz ersetzt ist) werden inzwischen die verbleibenden, etwas versprengt stehenden Häuser restauriert. Einzelne Gebäude, wie die National Bank stehen etwas verloren zwischen Baulücken oder Beton-Parkhäusern. Architektonisch besonders interessant ist, dass damals die ersten "Hochhäuser" so gestaltet wurden, dass einfach die Fassade eines niedrigen Hauses mit einem gestreckten Mittelteil verlängert wurde.

  (Bildquelle: www.kenzingtonphotos.com)

Läden oder Restaurants gibt es in downtown Winnipeg kaum, die Häuserblocks, wo man die Innenstadt vermuten würde wirken auch tagsüber ziemlich ausgestorben. Übrigens: Falschparker nimmt ein Dr. Hook Towing Service an den Haken – wie passend!

Die Fahrt geht vorbei an endlosen Feldern, nur ab und zu von einer kleinen Ansiedlung mit Getreidespeicher unterbrochen, nach Saskatoon, der größten Stadt in Saskatchewan am gleichnamigen Fluss. Auf selbigem finden bei wunderschön heißem Sommerwetter gerade Drachenbootrennen statt.

Und das geht so: 20 Paddler, ein/e Steuerfrau/mann und ein/e Taktangeber/in, gehen an den Start einer etwa 500 Meter langen Strecke mitten in der Stadt. Es sind immer drei Boote in einem Rennen unterwegs, die vom Veranstalter gestellt werden.

Die Teams sind überwiegen Stammtisch- oder Nachbarschaftsteams, einige davon mit richtigem Sponsor (und dazugehörigem Maskottchen).

Die gerade nicht aktiven Gruppen und zahlreiche Schaulustige sitzen am Ufer im Schatten und lassen sich diverse Köstlichkeiten schmecken. Wenn dabei das Geld ausgeht - kein Problem. Nebenan steht ein mobiler Geldautomat, nur mit einem Stromkabel mit der restlichen Welt verbunden. Wir sind in Kanada, wo die Welt noch in Ordnung ist und niemand auf die Idee kommt, Geld mit einer Sackkarre "abzuheben".