Amerikareise 2001 - Kapitel 24: Ziemlich viel Gegend

Wie bereits angedroht, kommt jetzt der Teil von Kanada, der überwiegend aus Gegend besteht (wie es mein ex-Chef Fritz formulieren würde). Das beginnt zunächst damit, dass ich Calgary gen Westen verlasse, während sie gerade "Weltuntergang III" proben. Diesmal schüttet es so, dass mich der Highway mehr an einen Gebirgsbach erinnert, nebenbei haben wir noch reichlich Blitze und einen kräftigen Wind, der mich halb von der Straße bläst. Alle fahren freiwillig nicht schneller als 50 km/h und ich muss an die Showbühne der Stampede denken - heute gestaltet sich das Feuerwerk wohl schwierig. Nach einer halben Stunde wird es wieder hell. Der Härtetest hat gezeigt, dass zwei meiner Camper-Fenster nicht ganz dicht sind, ausgerechnet das Notebook ist rundrum recht feucht, hat das ganze aber unbeschadet überstanden.

So starte ich am nächsten Morgen in Canmore, dem Austragungsort der nordischen Disziplinen der Olympiade 1988, zur Besichtigung der Natur in Form der Grassi Lakes, benannt nach einem italienischen Einwanderer, der eigentlich die Eisenbahnlinie bauen sollte, aber nach Feierabend noch schnell den ersten Weg hierher angelegt hat. Wie üblich kommt auf dem Bild natürlich nicht raus, wie kristallklar und tiefblau der See war. Die meisten Besucher hier oben sind auch nicht wegen der Seen gekommen. Sie interessieren sich mehr für eine 50 Meter hohe Felswand nebenan, die etwas an einen schweizer Käse erinnert.

Der Kollege hängt etwa 40 Meter über mir am Seil. Und wie er da in 5 Minuten so die senkrechte Wand hoch gekraxelt ist, hat mich dann doch stark begeistert (allerdings nicht zum Nachmachen angeregt). Richtig dumm geguckt habe ich allerdings, als er wieder unten ist und sich erstmal eine Zigarette anzündet. Da stirbt der Mythos ...

Bevor Ihr jetzt auf die Idee kommt, mich in diesem Zusammenhang zu verdächtigen, ich sei unsportlich und/oder faul (was ja grundsätzlich nicht abzustreiten ist), erzähle ich gleich vom nächsten Tag in Banff. Da bin ich nämlich höchstselbst 2 Stunden lang 5,5 km weit über 700 Höhenmeter hochgekeucht, um die Bergstation der Seilbahn zu erreichen (und nebenbei 27 DM zu sparen). Von da aus ging's nochmal 30 Minuten aufwärts, allerdings weit weniger steil. Ziel ist der 2300 Meter hohe Sanson's Peak. Von hier aus hat man einen wunderschönen Blick über die benachbarten Gebirgszüge und über Banff.

Um das mit der Höhe etwas anschaulicher zu gestalten (und um die Kamera auszutesten) habe ich von da oben mein Auto fotografiert. Das große Bild zeigt unten in der Mitte das Gebäude der Upper Hot Springs mit Parkplatz in der Weitwinkel-Einstellung (vergleichbar mit 38 mm Kleinbild-Brennweite). Der rote Ausschnitt ist mit maximalem Zoom (vergleichbar 380 mm Kleinbild) aufgenommen. Der gelbe Ausschnitt stammt aus demselben Bild, allerdings nicht für die Internet-Darstellung verkleinert sondern aus dem ursprünglichen 1600 x 1200 Pixel Bild ausgeschnitten (nicht vergrößert!). Ich finde, ganz nett. 

Nachdem ich (unter Benutzung der Seilbahn) wieder unten bin, gönne ich mir gleich noch den Besuch der besagten Hot Springs - ein Freibad, das komplett aus einer natürlichen Quelle versorgt wird. Eigentlich wäre es mir ja lieber gewesen, wenn das Wasser weniger als 39° gehabt hätte, aber wenn man ab und zu mal auftaucht und von den Liegestühlen aus den Blick über die umliegenden Berge schweifen lässt, ist das auszuhalten. Heißes Wasser war übrigens auch der Grund, warum es Banff überhaupt gibt. 1883 haben die Eisenbahnarbeiter (schon wieder!) William und Tom McCardell und Frank McCabe ein Loch im Boden entdeckt, durch das man in eine Höhle klettern konnte, die mit heißem Wasser gefüllt war, "wie ein fantastischer Traum aus 1001 Nacht". Bevor aber irgendwer Kapital draus schlagen konnte, hat der kanadische Staat hier 1885 seinen ersten Nationalpark eingerichtet. Heute ist die Höhle über einen freigesprengten, betonierten Gang zu erreichen, nicht sehr hübsch. Und das Badebecken, das es bis vor ein paar Jahren noch gab, haben sie inzwischen zugeschüttet. Alles zum Schutz einer endemischen Schnecke, die im Basin nebenan lebt.

So bleibt mir also nichts anderes übrig, als mir noch mehr von der wunderschönen Landschaft anzusehen, die sie hier aufgebaut haben. Da wären z.B. die Vermillion Lakes, einer schöner als der andere.

Wie Ihr als kritische Beobachter sicher schon erkannt habt, hat sich die Sonne leider teilweise verabschiedet. Zwischendurch schaut sie mal wieder durch die Wolken, die Vorhersage im Radio ist aber eher düster.

So bleibt mir also nichts anderes übrig, als zwischendurch Futter einzuwerfen und darauf zu warten, die umwölkte Gebirgskette im Hintergrund mit einem anderen Vordergrund zu verzieren.

So ganz unberührt ist die Natur aber auch hier nicht. Während ich auf der Jagd nach einem schönen Bild den See entlang laufe, taucht ein Kanu auf. Während ich also warte, bis sie in die richtige Foto-Position gepaddelt sind, hat sich die Lage urplötzlich geändert.

Zwei pitschnasse Gestalten in Jeans und Stoffjacke waten bis zum Ufer und wringen sich selbst aus. Ursachenanalyse: Er (hinten): "the steering did not work" - Sie (vorn): "the transmission broke down". Aus Pietätsgründen spare ich mir Nahaufnahmen, das mit dem geplanten Kanu-in-schöner-Landschaft-Foto wird dann wohl auch nix mehr.

Nächstes Ziel ist der Johnston Canyon. Als es da am ersten Wasserfall nicht nur von vorne regnet (wie erwartet), sondern auch von oben, schenke ich mir den zweiten Wasserfall weiter hinten. Die Squirrels am Wegrand kommen übrigens sofort angerannt, wenn man die Hand ausstreckt. Warum habe ich den Verdacht, dass sich da nicht alle Touristen an das überall ausgeschilderte Fütterungsverbot halten?

Als ich Lake Louise ankomme, hat sich das mit dem Wetter bewahrheitet. Dauerregen bei 9° ist nicht gerade ideales Wanderwetter. 

Der gleichnamige See mit Bergen rundrum und das Hotel, das sich Chateau nennt, sehen auf den Postkarten irgendwie besser aus. Also hebe ich mir das für einen zukünftigen Urlaub auf und trete die Flucht an...