Amerikareise 2001 - Kapitel 37: Go West - Anchorage 

Das Geräusch mag ich gar nicht. Als ich morgens an meinem idyllischen Plätzchen am Fluss aufwache, tröpfelt es gleichmäßig auf mein Dach. Da sich die lieben Moskitos trotz Regen nicht davon abhalten lassen, mir Blut abzapfen zu wollen, fällt die weitere Erkundung der Gegend aus, ich mache mich auf den Weg an die Südküste Alaskas, nach Anchorage. Da ich von verschiedenen Seiten gehört habe, ich solle unbedingt das neue Native Heritage Center besuchen und es sowieso gerade nieselt, stürze ich mich gleich rein. Auch auf die Gefahr hin, jetzt gleich wieder als knickerig dazustehen, finde ich 45 DM Eintritt für ein gewöhnliches Museum schon happig bis unverschämt. 

 

Drinnen zeigt gerade eine Gruppe aus dem äußersten Südosten Alaskas ihre Tanzkünste (King Island Dancers, links), durchaus sehenswert. Danach ist ein Geschichtenerzähler dran (William Jackson, rechts), der erstens fürchterlich nuschelt und zweitens so interessant und packend erzählt wie eine Schlaftablette im Koma. Um den DVD-Einführungsfilm nicht zu verpassen, sitze ich 5 Minuten vor angekündigten Beginn als einziger im Kino. Mit gemütlichen 20 Minuten Verspätung geht's dann tatsächlich los. Die benachbarte Ausstellung ist ansprechend gestaltet, aber nicht besonders interessant. Anders verhält es sich mit verschiedenen (Kunst-)Handwerkern, die ihr Können zeigen. Besonders ein Hobbyschneider aus dem Westen Alaskas stellt wunderschöne Mäntel aus Leder- und Fellstücken her, da schaue ich eine Weile begeistert zu. 

Im großzügig gestalteten Freigelände des Museums (von wegen Museum ist trocken und warm) sind die fünf verschiedenen Regionen Alaskas dargestellt, mit typischen Behausungen, Pflanzen und jeweils einer/m passend verkleideten Einheimischen (die/der dann meist ein/e ferienjobbende/r Student/in ist).  Das Meiste hatte ich in Fairbanks schon gesehen. Immerhin konnte man es sich sehr gut vorstellen, wenn die Natives von kaltem, nassem Wetter erzählt haben. Bei den Athabascan war dieses Zelt aus Tierhäuten zu besichtigen. Allerdings - so richtig trauen wir wohl der Wetterfestigkeit dieser Unterkunft nicht, oder was sollte der interessierte Tourist sonst bei diesem Anblick denken?

Für die Nacht parke ich hinter einem Einkaufszentrum neben einem Bagger. Gegen 23 Uhr beobachte ich (es ist noch hell...) das Auto eines Sicherheitsdienstes, dessen Fahrer schräg gegenüber auf ein Baustellengrundstück läuft. Innerhalb der nächsten 5 Minuten erscheinen ein weiter Kollege, ein Polizeiauto, ein Feuerwehrauto und ein Krankenwagen, alle recht lautstark. Was tatsächlich los ist, kann ich leider nicht erkennen und nach 10 Minuten ist der Spuk auch wieder vorbei. 

Der Touristenprospekt meint, ich müsse unbedingt den Samstags-Markt gesehen haben. Leider fehlt jegliche Andeutung, wo ich selbigen wohl finden kann. Aber wozu gibt es denn fragbare Einheimische ... So wandere ich kurz danach von Pavillon zu Pavillon. Wir bieten von lila Kartoffeln über Walrossschnitzereien, Live-Musik aus Ecuador bis Wahrsagen so ziemlich alles, was der Mensch so braucht. Alaskaner scheinen stattlicher gebaut zu sein als sonstige Amis, ich schwelge in einer riesen Auswahl 3XL T-Shirts, fast noch besser als gestern im Einkaufszentrum. Kurz danach entdecke ich eine mögliche Ursache, die Mampf-Ecke. An einem russischen Stand (Alaska war schließlich russisch, bis es die Amis 1867 für 7,2 Millionen Dollar gekauft haben) gibt es Piroshki - muss ich probieren.

Es handelt sich um eine gebackene Teigtasche mit Käse und Hackfleisch drin. Da das nur den hohlen Zahn gefüllt hat, lege ich noch einen "indianischen Taco" nach. Das ist ein eng mit dem Langos verwandter Teigunterbau mit Tacofüllung, nur diesmal das Hackfleisch mit Bohnen gestreckt. Und das süße Loch wird mit einer Blueberry Pie gestopft, köstlich!

Derart gefüttert steht als nächstes der Kontakt zur Außenwelt an. In einem Internet-Café namens Oscar's stöpsle ich mein Kabel in die Faxleitung im Büro des Chefs. Der Parkplatz vor der Tür ist übrigens ziemlich typisch für Anchorage: jede Menge Blumen überall in der Stadt verteilt und diverse hässliche Betonwände mit Bildern bemalt, hier Wale und Delphine.

Auf der anderen Ecke des Parks findet sich das Kulturzentrum. Da läuft ein umgebauter Imax-Film über Alaska, der 1998 für einen Oscar nominiert war. Er ist wirklich klasse, auch die Nordlicht-Diashow davor hat mich beeindruckt. Das ist aber noch gar nichts gegen das Gesicht, das ich gemacht haben muss, als ich wieder nach draußen kam. Innerhalb von 2 Stunden hat das Wetter von neblig-wolkig-kalt zu wolkenlos-sonnig-warm gewechselt. Da macht das urlauben doch gleich mehr Spaß!

Zu schade, dass die Sonne schon um zehn wieder untergeht. Allerdings gibt sie sich reichlich Mühe, es schön zu machen. Im Cook Inlet ist gerade Ebbe. Und vom Point Woronzof aus kann man am Horizont schneebedeckte Berge erkennen - wenn sich mein Kompass nicht irrt, habe ich den Denali doch noch gesehen. Wenn man die Datumsgrenze als Trennung nimmt, werde ich wohl nie in meinem Leben von einem westlicheren Punkt aus nach Westen sehen als jetzt gerade - wunderschön! 

Während ich mich also gerade über die Schönheit der Welt freue, hält nebenan eine fahrende Disco. Der Subwoofer ist so weit aufgedreht, dass das ganze ärmliche Schrottkistl klappert und mitvibriert. Nach Genuss ihres Bieres (und der Aussicht??) werfen die zwei Prols die leeren Flaschen der Sonne entgegen den Hang runter statt in die 2 Meter neben ihnen stehenden Mülleimer und fahren davon. Ich versteh's nicht ...