Amerikareise 2001 - Kapitel 38: Schneeberge und namenlose Bäche 

Ein Blick auf den Kalender und auf die Straßenkarte zeigt mir deutlich, dass es Zeit wird, den Rückweg anzugehen. Eine Woche und 2.500 km von hier startet die Fähre, auf der ich einen Platz gebucht habe. Eigentlich hätte ich ja gerne noch eine Runde nach Homer oder Seward gedreht, aber das dauert zu lange - beim nächsten Mal. Als von Westen schon wieder dicke Wolken anrollen, bin ich auf dem Highway 1 unterwegs (und nur ein kleines Stück nach Norden). Im Radio habe ich auf 90,3 einen Sender erwischt, der nur Hawaiianische Musik sendet. Irgendwie sind mir die Hawaiianer im Straßenbild von Anchorage nicht so aufgefallen...

Die Fahrt geht durch das MatSu Valley (eigentlich heißt es ja Matanuska-Sushitna Valley, aber Amis sind auch beim Reden eher faul), bekannt für seine Milch- und Käseherstellung. Zugegeben, auch für mich ist die Vorstellung von Kühen in Alaska gewöhnungsbedürftig. Tatsächlich gibt's die hier, zusammen mit Gemüseanbau und Rentierfarmen, und zwar reichlich. Die Milchtüten der Marke "Matanuska Maid" erinnern mich so ein Wenig an Australien und "Malanda" (gell, Torsten?).

Ein Stück den Matanuska River aufwärts findet sich der gleichnamige Gletscher. Die meisten Gletscher Alaskas münden aus einem abgelegenen Fjord ins Meer, was das Besichtigen etwas erschwert. Dieser hier ist leicht von der Straße aus zu sehen. Und weil wir in Amerika sind, hat sich ein Privatmann einfach das Gelände um den Gletscher herum gekauft. Wer jetzt näher ran möchte, muss dafür 18 DM berappen. Nationalparks oder so heben wir uns für wichtigere Sehenswürdigkeiten auf.

Wie zum Beispiel die Chugash Mountains. Auch hier gibt es reichlich Gletscher, allerdings öfter mal hinter Wolken versteckt. Trotzdem bieten sich entlang der Straße ständig neue Ausblicke auf immer andere Bergketten, eine schöner und majestätischer als die andere. Das in Kombination mit Nadelwäldern und riesigen Fireweed-Feldern im Vordergrund ist schöner und beeindruckender, als es sich mit Worten sagen lässt. Und auf Bildern sind entweder die Blumen zu dunkel (oben) oder die Berge zu hell (unten). Es geht eben doch nix über selbst ansehen ...

Vorbei an einsamen Seen und verlassenen Tankstellenruinen geht die Fahrt weiter durch eine abwechslungsreiche Berglandschaft. Warum habe ich nur den Eindruck, dass es hier nicht das ganze Jahr über so sonnig und warm ist wie jetzt? Oder, anders formuliert, warum fehlen die Lampen an den Straßenlaternen?

Kurz vor Ende des Glenn Highway bietet sich die folgende Aussicht auf den Mount Sanford im Wrangell-St. Elias National Park. Leider bewegen sich gerade zwei dicke Wolken vor die Bergspitze. Irgendwie wünscht man sich, man könnte die Welt mal für 10 Minuten anhalten, um diesen Eindruck intensiv in sich aufzunehmen.

Auf der Flucht vor den Wolken, die mich weiter verfolgen, bin ich wieder an der Kreuzung in Tok, die Ihr aus Kapitel 32 schon kennt. Diesmal biege ich auf den Alaska Highway nach Süden ab. Kurz vor der kanadischen Grenze bleibe ich auf einem Campingplatz stehen, auf dem die Übernachtung eine kostenlose do-it-yourself Wagenwäsche enthält. Das finde ich klasse (mein Camper hat es tatsächlich verflixt nötig!) und schreite sofort zur Tat. Abgesehen davon, dass es nicht besonders warm ist und das Eiswasser aus dem Schlauch die Finger nicht gerade wärmt, überzeugen mich kleine fliegende Einheimische sehr schnell davon, nur die Fenster, Lichter und Türgriffe abzuwaschen, glücklicherweise haben sie das Wasser für die Duschen besser geheizt! Zum Abendessen gab es übrigens french bread mit german salami und hinterher yoghurt swiss style. Ob die Schweizer allerdings fettfreien Joghurt produzieren, bei dem einem auf den ersten Blick schon künstliche Farbstoffe, Konservierungsstoffe etc. anspringen, glaube ich nicht.

So bin ich also wieder im Yukon in Kanada. Das hält die Natur um mich herum nicht davon ab, grandios zu sein. Allerdings geht der Kampf gegen die Wolken weiter. Mal ist es ziemlich grau, mal schaut die Sonne durch größere Lücken. So befindet sich der Parkplatz am Kluane Lake im gleichnamigen Nationalpark gerade in einem Sonnenloch. Tatsächlich gibt es hier so viel Natur, dass den Entdeckern langsam die Namen ausgegangen sind. So überquert man täglich mehrfach einen Elch-, Biber- oder Bärenbach. Weiter oben haben sie die Bäche einfach nach den Meilensteinen 13½-Mile Creek oder ähnlich getauft. Aber so richtig zugegeben, dass ihm nix mehr eingefallen ist, hat bisher noch niemand - bisher.

Ein Stück weiter haben sie beschlossen, den Alaska Highway in einen 1738-Loch-Golfplatz zu verwandeln. Besonders dann, wenn rundrum mal wieder wunderschöne schneebedeckte Gipfel zu sehen sind, muss ich pausenlos auf die Holperpiste vor mir starren. Mir scheint, hier gibt es mehr Baustellen als fertige Straße. Besonders angenehm wird es, wenn Trucks entgegen kommen. Die stören sich nicht an rutschigen Schotterpisten oder Tempolimits und erzeugen eine gewaltige Staubwolke mit Schotterhagel. Nicht nur meine Windschutzscheibe, auch die Motorhaube und besonders der Camper landen einige schmerzhafte Treffer.

Mit der Zeit kann einem die Fahrerei schon nerven. Deshalb freue ich mich, als die Bibel (auch Milepost genannt) etwas von einer Geisterstadt am Weg erzählt. Da kann ich mir doch mal die Beine vertreten.

Silver City wurde 1903 von Goldsuchern gegründet, ein Jahr später gab es ein Postamt und einen Polizeiposten. Doch schon 1925 war ein Fuchszüchter der einzige verbliebene Einwohner. Bis heute verrotten oder verrosten die Reste in wunderschöner Lage am Kluane Lake. Und in der Sonne sind 19 Grad sehr angenehm - wenn man vorher in Autan geduscht hat.

Menschliche Überreste ganz anderer Art gibt es ein Stückchen weiter zu besichtigen. In einem ansonsten üblich scheußlich aussehenden Indianercamp finden sich sozusagen moderne Totempfähle, bestückt mit Trophäen vorbeirollender Bleichgesichter. Stellt sich nur noch die Frage: ist der stolze Besitzer Jäger oder Sammler?

Ich komme jedenfalls ungeschoren davon. Kurz vor Haines Junction bietet sich mal wieder einer dieser grandiosen Panorama-Blicke.

Und das hier sind die Seven Sisters. Welche dieser Spitzen jetzt eine zählende Schwester ist und welcher der Berge nicht mitgezählt wurde, ist mir allerdings nicht ganz klar geworden.