Amerikareise 2001 - Kapitel 41: Ist der süüüß! 

Hier kommt, wie versprochen, der Bericht über den Abstecher. Mein Reiseführer meint, den dürfte man nicht verpassen. Da er außerdem gesagt hat, der Bear Glacier sehe früh morgens am schönsten aus, bin ich schon vor 8 Uhr unterwegs. Und in der Tat, so mit Sonne macht der Gletscher schon was her.

Dummerweise ist er kräftig auf dem Rückzug, vor 80 Jahren war sein Ende ungefähr da, wo ich jetzt stehe. Man sieht weiter oben am Hang noch die alte Straße. Andererseits hat der entstandene See mit seinen "Eisbergen" auch was reizvolles, finde ich.

Auch im weiteren Verlauf bietet die Straße nach Stewart jede Menge reizvolle Ansichten, während sie sich ein enges Flusstal entlang schlängelt. Bei den Gänsen üben wir mal wieder parken - aus dem Auto springen - zurücklaufen - knipsen, dummerweise haben sich drei der fünf angehenden Fotoobjekte gerade ins Wasser plumpsen lassen ...

Ich hoffe, man kann diese früh-am-Morgen-im-Nebel Stimmung trotzdem noch so ein Wenig erkennen. Zumindest in meiner Erinnerung bleibt dieser märchenhafte Touch.

Wie auch immer, drei Kurven weiter findet sich die große kanadische Grenzstadt Stewart. Da es mit der Fischerei nicht mehr weit her ist und die Holzindustrie auch nicht gerade brummt, haben wir uns kräftig auf das Tourismusgeschäft konzentriert. Das Städtchen ist liebevoll gepflegt, Gleich gegenüber von der Tourist Info finden sich jede Menge Geschäfte und Eateries (gibt es in deutsch ein Wort für "Läden, die ambulant Essen verkaufen"?). Und einen sehr gelungenen Hydranten, finde ich.

Ausgestattet mit einem königlich belegten Jumbo-Sandwich fahre ich dann ein letztes mal nach Alaska. Hyder behauptet von sich selbst, "the friendliest little ghost town" (die freundlichste kleine Geisterstadt) zu sein. Dem autofahrenden Touristen fällt allerdings zunächst auf, dass die Straße abrupt zu einer Schlaglochpiste wird, über das 20 mph (32 km/h) Tempolimit kann ich nur lachen. Da holt man sich ja einen Achsbruch! Die Hälfte aller Häuser sind tatsächlich verfallen oder vernagelt, aus dem einzigen geöffneten Souvenirshop plärrt Johnny Horton vom Endlosband, abwechselnd "North to Alaska" und "Springtime in Alaska".

Das ist nicht wirklich faszinierend genug, um mich zum Bleiben zu bewegen. Also mache ich mich auf den Weg zur eigentlichen Attraktion Hyders, den Bären. Seit einigen Wochen gibt es da einen nagelneuen Aussichtssteg, von dem aus man den Fluß gefahrlos (für die Bären) beobachten kann. Ich habe es mir gerade in der Sonne bequem gemacht, als plötzich Bewegung in die plauschende Gruppe der Foto-auf-Stativ-Besitzer kommt.

Der Grund heißt Ozzie, ist 8 Jahre alt und ein Grizzly. Obwohl er ziemlich schwarz ist, gehört er zu den Braunbären, nicht zu den Schwarzbären. Das erkennt man unter anderem an dem Hubbel über den Schultern, den haben Schwarzbären nicht. Der Grund, warum hier ständig Bären vorbeikommen, ist von oben etwas schwierig zu fotografieren.

Wenn man weiß, wonach man schaut, kann man den Lachs aber erkennen, hoffe ich. Die Tierchen kommen hier vorbei, um weiter flussaufwärts zu laichen. Dementsprechend kommen die Bären hier vorbei, wenn sie Appetit auf Lachs haben. Und weil das Angebot im Augenblick sehr reichlich ist, dauert es auch nicht lange, bis Ozzie sich den ersten Happen fürs Frühstück geangelt hat.

Er knabbert allerdings nur kurz daran herum, dann lässt er ihn auf einer Kiesbank im Fluss liegen. Das erklären mir die Profis nebenan damit, dass Bären Lachs-Weibchen bevorzugen, wegen der schon fertigen Eier. Wenn das Fischangebot reichhaltig ist, werden Lachsmänner ignoriert. Allerdings nur von den Bären.

Es dauert nicht lange, bis sich ein anderer Interessent für die Überreste einfindet. Er knabbert allerdings auch eher unmotiviert am Lachs herum und fliegt ziemlich schnell weiter. Die Viecher hier sind einfach zu verwöhnt.

In der Zwischenzeit hat sich Ozzie weiter den Fluss hochgearbeitet und auf der anderen Seite der Straße offensichtlich einen schmackhafteren Lachs erlegt. Jedenfalls mampft er genüsslich.

Die zwei Rangerinnen haben inzwischen alle Hände voll damit zu tun, Touristen wie mich davon abzuhalten, dem Bären zu nahe zu treten ("Ist der süüüß!"). Ozzie macht es ihnen auch nicht gerade leicht. Er wandert den Fluss rauf und runter, dann taucht er plötzlich oben auf der Straße auf. Da haben die Menschen so einen praktischen Scheuerpfahl eingegraben ...

Was man auf diesem Bild allerdings nicht sieht: auf der gegenüberliegenden Straßenseite haben zwei deutsche Rentner ihr Wohnmobil geparkt und wollen gerade aussteigen. Das verhindert eine Rangerin, die Dose Pfefferspray im Anschlag (nein, nicht auf die verschreckten Touries gerichtet, auf den Bären!). Meine Karre parkt direkt vorne dran, aber da komme ich jetzt natürlich leider nicht mehr hin.

Dem Bären ist das Spektakel rundrum übrigens völlig egal. Er schrubbt seelenruhig sein Hinterteil und wandert danach weiter den Fluss rauf. Langsam wird die Sonne ziemlich heiß, das mögen die dick bepelzten Bärchen angeblich nicht so. So warten die Touristen alle vergeblich auf weitere Lachsfänger. Bleibt eigentlich nur noch, die Gegend auf der anderen Seite zu bewundern.

Aber das hatten wir ja schon. Also zurück nach Kanada (nein, ich habe mir immer noch weder Drogen noch Waffen gekauft und auch der Schnapsladen blieb ungeplündert!). Die haben hier wirklich Sorgen ...