Amerikareise 2001 - Kapitel 42: Eine Seefahrt, die ist lustig... 

Ja, und der Spaß beginnt pünktlich 5 Minuten vor 6, da tütet nämlich mein Wecker. Mir kommt es vor, als hätte ich mich gerade erst hingelegt, 4 Stunden sind doch eindeutig zu wenig Schlaf. Da ich am Abend vorher wenigstens schon "eingecheckt" habe, stehe ich 5 Minuten später in der Schlange 7. Da der Prospekt sagt, man dürfe während der Fahrt nicht ans Auto, schmiere ich mir hurtig 4 Brötchen. Da setzt sich um mich herum auch schon alles in Bewegung. Also schnell raus und vorgerollt. Dann ist wieder eine andere Reihe dran, da könnte ich mir doch noch schnell Milch und Muffin aus dem Kühlschrank holen. Als ich die Tür aufmache, ergießt sich ein Brötchen mit der Senf-und-Gurken-Seite auf den Laptop, nett. Um mich herum geht es dummerweise schon weiter, also schnell wieder nach vorne. Nach dem halben Muffin werde ich aufs Schiff gewunken und komme glücklicherweise direkt an einem Sicherheitsschott zu stehen. Viel Platz nach hinten und direkt an der Ausgangstür.

So packe ich also mein Futter und die dicken Klamotten in den Rucksack und wandere nach oben. Regen haben wir zwar keinen, aber die Wolken hängen tief. Unten werden gerade die letzten Autos eingeladen. Ziemlich pünktlich um 6:20 Uhr geht's los. Als wir aus dem geschützten Fjord nach draußen fahren, wird der Wind immer kälter, dafür zeigt sich mehr und mehr die Sonne.

Als ich mir gerade überlege, ob ich nicht nach drin gehen soll, lässt der Wind nach und es wird zuerst angenehm warm, dann richtig sauheiß. So wandern die Plastikstühle an Deck recht schnell aus der Sonne in den Schatten. Natürlich war ich bekleidungstechnisch nicht auf Sauna eingestellt, glücklicherweise haben die Hosen Reißverschlussbeine. (Nebenbemerkung, hat nix mit dem Thema zu tun: diese neue Rechtschreibung macht mich noch irr. Ich habe gerade alle 4 verschiedenen Varianten von Reissßverschlussß durchprobiert, bis die Rechtschreibprüfung nicht mehr gemeckert hat, nächstes mal schreibe ich Zipper!)

Nicht nur wegen des klasse Wetters und der grandiosen Aussicht, sondern besonders weil die Klimaanlage des Schiffs nicht funktioniert, wird es an Deck langsam recht eng. Dann bremst der Käpt'n. Dummerweise sind auch die Lautsprecher auf Deck 8 kaputt, deshalb können wir die Durchsagen nicht hören. Später stellt sich heraus, dass gerade eine von zwei Maschinen ausgefallen ist und wir deshalb nur noch halb so schnell vorwärts kommen. Nicht nur Euch stellt sich inzwischen die Frage: "Was ist denn das für ein Schrottkahn?"

Dazu versetzen wir uns mal schnell ins Jahr 1969. Da wurde das Schiff nämlich in Bremerhaven gebaut (damals ging noch alles!) und als Stena Danica im Kattegat eingesetzt. Das Bild zeigt sie 1971 im dänischen Frederikshavn. Tja, und jetzt schaukelt sie als "Queen of the North" Touristen durch die Inside Passage in British Columbia.

Erfahrene Passagiere haben sich einen Schlafsack und ein Buch mitgebracht, ich habe jetzt Zeit, um die in Alaska erworbene "Zeit" zu lesen. Dass ich nicht der einzige deutsch lesende und sprechende bin, stellt sich recht schnell heraus. Ich komme mit Stephan aus Klagenfurt (links), Stephanie aus Lyss bei Bern und Stephan aus Daun (rechts) ins Gespräch.

   

Der österreichische Stephan war als Projektleiter schon in der halben Welt auf Montage (obwohl er eigentlich kein Englisch spricht), die anderen beiden haben sich in einer Sprachenschule in Vancouver getroffen. Wir unterhalten uns ziemlich lange. Da die Reparaturversuche der Crew immer noch erfolglos sind, genießen wir weiter die Aussicht der Bummel-Kreuzfahrt. Wenn es nur nicht so warm wäre! Eigentlich hätte ich gerne meine Sandalen aus dem Camper. Gemäß dem alten Spruch "Frechheit siegt" wandere ich mal unauffällig los, die Türen sind alle offen und aufhalten tut mich auch keiner. So sieht mich mein Auto im Lauf der Fahrt noch öfter. Später lasse ich mir sagen, es habe offizielle Besuchszeiten für die Autos gegeben, dummerweise kommen die Durchsagen bei uns aber nicht an ...

So gegen 19 Uhr sagt der Kapitän (hier in Zwiesprache mit seinem Teleobjektiv) an, dass er an Steuerbord Buckelwale gesichtet habe. Alles stürmt nach draußen, gegen die tief stehende Sonne kann ich aber gerade noch einmal eine Flosse wackeln sehen, dann ist er wieder weg. Derweil ist die zweite Maschine immer noch nicht repariert. Der Käpt'n (übrigens noch 2 Wochen vom Ruhestand entfernt) klingt leicht genervt, als er durchsagt, dass Mobiltelefone an der derzeitigen Position nicht funktionieren und der Purser eine Liste führt, auf der die Hotelzimmerbuchungen für Port Hardy storniert werden können. Knack, 20 Sekunden Pause, knack, "das mit den Mobiltelefonen hat nichts mit dem Schiff zu tun" knack.

Eigentlich hätten wir so gegen 19 Uhr in Port Hardy sein sollen. Es sieht im Moment aber eher so aus, als ob es eine 24-Stunden-Kreuzfahrt werden würde. Während über Bella Bella die Sonne farbig untergeht, kopiere ich gerade Stephanie's CD. So ein mobiler Brenner ist doch ganz praktisch. Da ich auch jetzt nicht zu meiner Matratze im Camper darf, genieße ich noch eine Weile den Sternenhimmel über dem Queen Charlotte Sound. Als es dann doch zu kühl wird (diverse Backpacker haben Iso-Matten und Schlafsäcke ausgerollt und schlafen hier auch), ziehen wir in die Bar, aus der wir aber ziemlich gleich wieder rausgekehrt werden. Wer zum Teufel überwacht hier die Sperrstunde??

Wenn ich so über die Decks laufe, fühle ich mich irgendwie an ein Lazarettschiff erinnert. Ein Glückspilz, wer schon vor Bekannt werden des Motorschadens eine der wenigen Kabinen an Bord gebucht hat. Der Rest macht es sich eben so gut wie möglich bequem. Die Lagerplätze sind fast alle belegt, wir landen im Kinderparadies. Zwischen den Plastikautos machen es sich Brigitte und Karin aus der Nähe von Augsburg bequem, ...

... Stephanie hat sich das Krabbelparadies rausgesucht. Und um gleich wieder eine Beschwerde vorwegzunehmen: Stephanie wollte nur ohne Brille geknipst werden, ich war aber schneller. Und ich finde, es sieht so durchaus süß aus und braucht nicht versteckt zu werden. Das gilt übrigens nicht nur für die Brille.

Von mir gibt's natürlich auch ein Foto, direkt vor der knallgelben Rutsche. Nicht gerade übermäßig bequem! Außerdem ist direkt über uns ein lautstarkes Gebläse aktiv. Na dann, gute Nacht!

Die Schätzung gestern war nicht schlecht, es ist ungefähr halb fünf, als mir der Boden zu hart wird und ich mich auf den Weg nach draußen mache. Da vorne sind schon die Lichter von Port Hardy zu sehen.

So trennen sich unsere Wege. Ich gönne mir den Luxus, gleich den erstbesten Parkplatz anzusteuern und erst mal ein paar Stunden Schlaf nachzuholen. Die anderen besteigen bereitstehende Busse oder ihre Mietwagen.