Amerikareise 2001 - Kapitel 40: Schotterpiste satt 

So verlasse ich Alaska also zum zweiten Mal (nein, ich habe weder Drogen noch Waffen dabei ...) - wo habe ich eigentlich die kanadischen Dollars zuletzt gesehen? Da es nur eine Straße nach Skagway gibt, besichtige ich den White Pass jetzt auch noch von der anderen Seite. Und, wie erwartet, sind jenseits der Berge sämtliche grauen Wolken verschwunden, es wird wunderbar sonnig. Es wäre doch eigentlich unverzeihlich, das nicht zu genießen.

Kurze Zeit später steht also am Tutshi Lake ein einsamer Camper am Ufer, davor sitzt ein deutscher Tourist im Campingstuhl in der Sonne und liest Zeitung. Wer etwas ausdauernder hinschaut, sieht den Touristen alle 20 Minuten aufspringen, um das Auto herumlaufen und wenige Sekunden später wieder in seinen Stuhl zurückkehren. Das Auto dreht nämlich alle 20 Minuten dem Radio den Strom ab. Also einmal kurz Zündung einschalten (bing-bing-bing), dann Zündschlüssel wieder raus. Außerdem bringt er sich - zugegebenermaßen - noch eine Jacke und Socken mit. Bei 18 Grad und steifer Brise wird es auf die Dauer doch etwas kühl ...

An Jake's Corner biege ich auf die Dauerbaustelle namens Alaska Highway ein. Hinter Teslin finden sich mal wieder ausgedehnte Schotterstücke. Immerhin fahren jetzt die meisten entgegenkommenden Autos halbwegs langsam und schön am rechten Rand. Trotzdem fliegen die Brocken, während einem die Staubwand die Sicht nimmt.

Nachts wird es jetzt schon wieder richtig komplett dunkel. So suche ich mir ein Plätzchen an einem der zahllosen einsamen Seen.

Auf dem Weg von der Kabine des Pickup zum Camper nehme ich mir einmal mehr vor, nächstes Mal ein paar Fledermäuse als Haustiere mitzubringen. Die könnten sich hier innerhalb von Minuten sattfressen. Die Fotosession fällt jedenfalls recht kurz aus, dafür blase ich danach in meinem Camper zur Jagd.

Kurz bevor ich Watson Lake (und damit meine Hinroute) erreicht hätte, biege ich nach Süden auf den Cassiar Highway ab. Der kurvt durch recht abwechslungsreiche Landschaft.

So schlängelt sich die Straße über einige Kilometer an einem Flusslauf entlang, der über weite Strecken fast komplett zugewachsen ist. Aber nicht etwa mit eintönig grünen Pflanzen, sondern mit riesigen rot-lila Teppichen. Die Farben hier im Norden begeistern mich immer wieder aufs Neue.

Mittagspause ist an einem mit Picknicktisch ausgestatteten Rastplatz direkt am kristallklaren See. Ein paar Stunden später (immer noch keine menschliche Ansiedlung weit und breit, nur Natur) tauchen am Horizont wieder schneebedeckte Zacken auf, die Skeena Mountains.

Auch auf die Gefahr hin, dass es jetzt langsam langweilig wird mit den spiegelnden Seen vor Schneegipfeln, garniert mit etwas Fireweed. Es gibt hier im Norden eben reichlich davon und ich kann mich da jedes mal wieder drüber freuen.

Was allerdings deutlich weniger Freude bereitet, ist die erneut einsetzende Bautätigkeit. Die Asphaltdecke macht immer mehr einer grob gelöcherten Schotterpiste platz, wo einem das Auto bei 50 km/h schon Leid tut. Besonders schlimm sind die kurzen Schotterstückchen auf an sich asphaltierter Straße. Gemäß Murphy § 4 Absatz 1 Vers 7 (oder so) kommt natürlich genau da ein riesiger Truck in einem Affentempo entgegen. Als der Stein in meiner Windschutzscheibe einschlägt, kracht es gewaltig und hinterlässt einen eindrucksvollen Sprung in der Scheibe (Nummer drei, aber der bisher eindrucksvollste :-).

Habe ich beim Anblick dieses Schilds noch gedacht "na ja, viel schlimmer kann es ja nicht mehr werden, die Schilder stehen hier ja ständig, und was von Fähnchen zu halten ist, weiß ich inzwischen ja auch", wurde ich schnell vom Gegenteil überzeugt. Auf etwa 4 km Länge haben sie die Straße gerade in eine neue Trasse verlegt. Anders formuliert, der Fahrbahnbelag wäre bei uns als Eisenbahnschotter eingesetzt worden. Ich würde das Auto am liebsten tragen, so tun mir die Reifen weh. Die Minen der ungeduldig überholenden Einheimischen zeigten allerdings deutliches Unverständnis.

Kurz vor Meziadin Junction komme ich mit vielleicht 80 Sachen um eine Kurve gebogen und sehe nur noch zwei schwarze Vierbeiner vor mir auf der Straße. Ich steige voll in die Eisen, nur um zwischen zwei jungen Bären durchzufahren. Der hintere hat glücklicherweise mitgedacht und angehalten, mir hätte es wohl nicht gereicht. Wer von uns den größeren Schrecken davongetragen hat, wäre übrigens noch zu klären, ich habe jedenfalls meine Adrenalinportion für morgen gleich mit ausgeschüttet. Natürlich sind die Bärchen vor Schreck sofort im Unterholz verschwunden, keine Chance mehr für Fotos.

 

Da lobe ich mir doch die Blümchen am Straßenrand. Die halten brav ihre Köpfe hin, wenn ich ihnen mit dem Objektiv näher komme.

Chronologisch betrachtet müsste hier jetzt der Abstecher nach Stewart und Hyder kommen. Das ist aber wieder eine Geschichte für sich und wird deshalb gleich im Kapitel 41 erzählt. Hier gehts ungerührt weiter auf dem Cassiar Highway südwärts, nicht ohne an der Kreuzung in Meziadin Junction den Tank gefüllt zu haben. Ich hatte mir nach diversen Reiseführer-Warnungen extra einen Reservekanister (25 Liter!) zugelegt, ihn aber nie gebraucht. Hier oben gibt es zwar schon mal Straßen, auf denen 300 km lang keine Tankstelle kommt. Aber wenn man das weiß und der Tank 500 bis 600 km reicht - wo ist das Problem?

Nach meinen bisherigen Erfahrungen mit der Straße stelle ich mich auf ein weiteres Stück zäher, ermüdender Fahrt ein. Umso überraschter bin ich, dass die Bauarbeiten hier schon abgeschlossen sind und eine autobahnähnliche Strecke hinterlassen haben. Meine Tachonadel dringt in Bereiche vor, die sie seit Tagen nicht mehr gesehen hat! Damit die Touristen sehen können, wie es früher mal war, wurde allerdings ein Stückchen alter Highway erhalten (Bild).

Als nächstes schickt mich der Reiseführer in ein Dorf namens Kitwanga. Da soll es diverse sehenswerte Indianer-Hinterlassenschaften geben. Zuerst wandere ich zahlreiche Treppen abwärts zu einem nicht mehr existierenden Fort eines lange gestorbenen Indianers auf einem angeblichen Hügel. Zumindest die Info-Tafeln stehen noch. Danach geht's natürlich wieder hoch, und das bei 28 Grad und strahlender Sonne - mir war schon länger nicht mehr sooo warm.

Rückwärts entdecke ich dann eher per Zufall wesentlich eindrucksvollere Hinterlassenschaften der Einheimischen. Mangels einer Schrift wird die Geschichte einer Familie per Schnitzerei an die nächsten Generationen weitergereicht. Obwohl inzwischen die Farbe schon etwas abgeblättert ist und sich hier niemand um Info-Tafeln oder irgend eine sonstige Erläuterung bemüht hat, machen die Totem-Pfähle ziemlich Eindruck auf mich.

  

Dann ist der Cassiar Highway zu Ende und ich biege auf den Yellowhead Highway ab. Unverhofft bin ich wieder in der Zivilisation angekommen, genaugenommen findet sich in Terrace sogar ein riesiges Industriegebiet. Auf der einen Straßenseite kommen die Stämme an, ...

auf der anderen Seite sind sie gestückelt zum Weitertransport aufgeschichtet.

Die Straße folgt dem Verlauf des Skeena River. Der verwandelt sich von einem tosenden Gebirgsbach in einen gemütlichen Fluss mit großen Sandbänken, ehe ein Fjord aus ihm wird. Das ganze eingerahmt von schneebedeckten Bergen - das macht was her. Mehr zufällig fällt mein Blick auf eine Sandbank, auf der sich was gefiedertes bewegt. Vollbremsung, Kamera raus, usw. - das kennt Ihr ja schon.

Leider hat Frau oder Herr Weißkopfseeadler sich die Schattenseite rausgesucht. Als ich mein Auto verlasse, um noch etwas näher ranzukommen, flattert sie/er natürlich weg. Macht nichts, die Speicherkarte in der Kamera ist sowieso gerade voll, außerdem habe ich sicher einen halben Liter Blut verloren, bis ich zurück am Auto bin. Dann muss ich eben aus dem Auto mit dem Fernglas zuschauen. Weiter drüben sitzt nämlich noch so ein weißgeköpftes Exemplar und noch so ein Adler, allerdings mit dunklem Kopf. Ich halte ihn zunächst für eine andere Art, erst später erfahre ich, dass der Nachwuchs erst nach einem Jahr weiße Federn auf dem Kopf bekommt.

Als es recht schnell kühler wird und die Wolken immer dicker und grauer werden, weiß ich: die Küste ist nicht mehr weit. Prince Rupert hält mit einer jährlichen Niederschlagsmenge von 250 cm (die sich auf 220 Regentage pro Jahr verteilt) den Rekord aller kanadischen Meßstellen. Hier ist es um halb zehn schon fast dunkel - so eine Sauerei. Bis ich eingekauft, geduscht, gedumpt (für nicht-Camper: Abwassertank ausgeleert) und die Kamera leer gemacht habe, ist es beinahe 2 Uhr morgens. Um 6:15 Uhr startet die Fähre. Was für ein Stress ...

- wie schon oben geschildert, kommt die Fährfahrt in Kapitel 42, als nächstes ist jetzt der Abstecher zu den Bären nach Hyder dran -