Amerikareise 2001 - Kapitel 43: Er bläst! 

So gegen 13 Uhr tutet mich die Queen of the North aus dem Schlaf. Sie haben die eckig-rund-eckig Flaggen inzwischen runter genommen und stechen gerade wieder in See - na dann, viel Spaß! Den habe ich auch, als ich einen Blick in meinen Kühlschrank werfe. Da auf kanadischen Fähren Gasflaschen grundsätzlich verschlossen zu sein haben und mein Kühlschrank ohne Gas nicht tutet, haben sich die Muffins was von der Fähre abgeguckt und schwimmen - in Tauwasser aus dem Gefrierfach. Nur zwei haben sich auf eine Insel gerettet und können durch Trocknung gerettet werden. Wetter haben wir nämlich gerade wunderschönes, sonnig und nicht zu heiß.

So finde ich mich also auf Vancouver Island wieder, benannt nach - na? - richtig, George Vancouver, dem großen Entdecker (wer den Gag verpasst hat, sollte mal die Rätselseite lesen). Der Reiseführer sagt, ich soll hier Wale beobachten. Na ja, eine Schwanzflosse hatte ich ja schon, aber ist das genug? So buche ich in der Tourist Info in Port McNeill eine Tour für den nächsten Tag. In der Zwischenzeit folge ich einem Tipp und holpere 15 km über eine üble Schlaglochstrecke nach Telegraph Cove. Da ist es tatsächlich recht schön, leider wird man übel abgezockt. Beim Blick auf die langsam untergehende Sonne treffe ich Maren aus Schriesheim, die gerade einen vor 20 Jahren ausgewanderten Freund ihrer Mutter besucht. Die Welt ist doch klein.

Dann geht es auf Wal-Jagd. Bill Mackay ist einer der Pioniere, seit 20 Jahren im Geschäft. Wir fahren in ein Gebiet namens "Robsons Bight" und warten (heute keine Sonne und verflixt kalter Wind!). Damit es uns nicht zu langweilig wird, unterhält uns Bill mit Seeräubergeschichten. Damals seien Wale noch "geerntet" worden. Er habe zusammen mit anderen Biologen versucht, das Gebiet unter Schutz zu stellen. Während er mit einem Fotografen der größten Tageszeitung Vancouvers unterwegs ist, hätten sie eine Wal-Geburt gesehen. Hinterher habe er erfahren, dass das vorher noch nie fotografiert worden war - so bekam er nicht nur die Schlagzeile auf der Titelseite, sondern auch sein Schutzgebiet. Allerdings werden nicht alle Boote verjagt, Fischer dürfen nach wie vor noch in das Gebiet fahren und auch Wale jagen, bis heute.

Dann tut sich was im Wasser. Der erste Orca (oder dramatischer Killerwal genannt) lässt sich blicken. Da auch die whale watcher nicht in das Schutzgebiet rein fahren, sind die Wale ein ganzes Stück entfernt. Dazu kommt, dass es nicht ganz einfach ist, die Kamera ruhig zu halten, wenn das Boot wackelt. Bedeckt ist es auch noch, dementsprechend sehen die Bilder leider etwas wackelig aus. Wenn ich also zufällig schon mal das Objektiv genau in die Richtung halte, in der dann auch ein Wal auftaucht, sind doch die meisten Bilder unscharf.

Damit den Walen niemand was tut, ist ein Wächter im Schlauchboot unterwegs. Genau gesagt, eine Wächterin. Sie kommt nämlich später an Bord, hat wohl die Linsensuppe gerochen (das ist übrigens der Lunch). Später sehen wir sie in Aktion, als sie einen Frachter verjagt. Das lustige ist, dass Bill den Funkverkehr auf die Bordlautsprecher geschaltet hat und wir auch mithören können.

A propos Hören. Per Unterwassermikrofon hören wir den Walen auch zu. Dazu haben wir sogar zwei Studenten an Bord, die die Pfeiftöne weiter erforschen. Ungeschickterweise muss es dazu rundrum ruhig sein. Nicht selten tuckert aber mal die Konkurrenz vorbei.

Die Forscher haben inzwischen die Wale in vier Familien eingeteilt, Bill zeigt uns ein Buch mit komplettem Stammbaum aller hiesigen Wale. Wo wir bei Menschen ein Passbild einbauen, findet sich bei den Walen die jeweilige Rückenflosse (ich habe eine Weile gebraucht, um herauszufinden, warum Bill immer von 'dorsal finns' erzählt hat). Die kann man mit einiger Übung leicht unterscheiden - und auch besser sehen als den Rest des Wals, schätze ich. Die Zackenflosse hier ist zum Beispiel der Wal namens D4.

Die nächste Wartezeit überbrückt Bill mit der Story von dem Kajakfahrer, der so groß war wie ein Schrank. Es hat sich niemand getraut, ihn aus dem Schutzgebiet zu verjagen, deshalb haben sie ihn einfach zum deputy warden ernannt. Kajakfahrer müssen beim Walbeobachten übrigens Krach machen, z.B. regelmäßig mit dem Paddel auf die Wasseroberfläche schlagen. Sonst sind sie für die Wale "unsichtbar", die Orcas erschrecken beim Auftauchen und flüchten.

Dann sehen wir doch noch einen ganzen Wal. Er bevölkert zusammen mit einigen bunten Dinos das vorbeituckernde Schiff eines Forschers, dessen Frau Kinderbücher schreibt, diese Tierchen wurden als Illustration dafür gebastelt. Ich unterhalte mich derweil angeregt mit Brigitte und Karin (die aus dem Kinderland auf der Fähre), die zufällig dieselbe Tour gebucht haben. Dann wird's nochmal richtig lebendig, die Wale kommen auch etwas näher ran. Leider ist es inzwischen noch dunkler geworden, anders formuliert: meine Foto-Ausrüstung taugt nix für Wale.

Ich würde sagen: rechts vor links. Na ja, abgesehen von den dürftigen Bildern war es wirklich ein einmaliges Erlebnis, wir hatten alle den Eindruck, dass es sich gelohnt hat, dafür gut 100 DM zu blechen und 5 Stunden in der Kälte auszuharren. Besonders die Hände sind dann doch irgendwann am Fernglas festgefroren. Als Schmankerl gibt es hinterher noch einen Adler samt Horst. Ganz nett, aber hatte ich schon in der Sammlung ;-)