Amerikareise 2001 - Kapitel 45: The King und ein Hauch Empire 

Auf der Fähre namens "Spirit of Vancouver Island" verlasse ich besagte Insel. Die Fähre wurde erst 1993 gebaut, diesmal funktioniert auch alles an Bord. Und warten musste ich auch nur 10 Minuten, nachdem ich die knapp 100 DM für die Überfahrt berappt hatte. Ob das die Tarife für Inselkreuzfahrten sind? Wir arbeiten uns nämlich im Zick-Zack durch diverse kleine und ganz kleine Inselchen. Gerade an der Stelle, wo ich mir schon überlegt habe, ob wir mit unserem riesigen Kahn da vorne um die Ecke kommen, taucht auch noch Gegenverkehr auf. Den Passagieren wird hier wirklich was geboten.

Kaum von der Fähre runter beginnt das übliche halsbrecherische Rennen. Jeder Truck möchte als erster an der nächsten roten Ampel eine Vollbremsung versuchen. Das mache ich nicht lange mit und biege in Richmond ab. In der Gulf of Georgia Cannery zeigen sie die 1894 gebaute Lachsverarbeitung, die im zweiten Weltkrieg auf Sardinen umgestellt wurde. Von den Fangmethoden über die Eindosung bis zur Erklärung, warum über dem Fischtransportband ein Magnet installiert war (um Kronkorken der Bierflaschen der Arbeiter herauszufiltern) ist alles hervorragend aufgearbeitet. Man merkt eben doch, dass das Museum erst letztes Jahr eröffnet wurde, nachdem 6 Jahre lang renoviert wurde.

Erstes Ziel in Vancouver (benannt nach dem segelnden George, Ihr wisst schon) ist die Gastown.  Das Viertel war eigentlich zum Abbruch vorgesehen, wurde dann aber glücklicherweise rundum renoviert und ist heute die Kneipen-Ecke für Einheimische und Touristen. Wahrzeichen der Gastown ist die Uhr, die von einer Dampfmaschine betrieben wird und alle Viertelstunde pfeift.

Nachdem ich an diversen Klamotten- und Souvenirgeschäften und reichlich Restaurants vorbeigewandert bin, meldet sich auch bei mir der Magen. Ich beschließe, ihm beim Inder ein Gyros zu kaufen. Ziemlich zwiebelig, aber nicht schlecht. Während ich also mampfend auf der Mauer sitze, kommt Elvis vorbei. Nicht wirklich persönlich, sondern in Form eines Opas mit behaarter Brust, Schlaghosen und Perücke, der ein Wägelchen vor sich her schiebt. Zuerst quäkt nur der Ghetto-Blaster "love me tender", dann greift sich Elvis II das Mikrofon und trällert höchst selbst. Wo auch immer er auftaucht, bekommt er gleich eine Münze zugesteckt, in der Hoffnung, dass er dann möglichst schnell weiterzieht. Die Darbietung ist nämlich wirklich schrecklich, und das am Vorabend des 24sten Todestages des Kings. Der dreht sich wohl gerade im Grab ...

Am nächsten Morgen ist es ziemlich verhangen. Also nix mit Aussichtsberg etc. So fahre ich noch mal nach downtown, wo ich der Parkuhr 1,5 Stunden füttere. Das sollte reichen (später stellt sich heraus, dass es im Wert von 25$ nicht gereicht hat - immerhin kann man hier Strafzettel online im Internet per Kreditkarte bezahlen). Auf der anderen Seite erwische ich dann zum Ausgleich eine Parkuhr, die bei 30 Minuten Zeit steckengeblieben ist. Ausgleichende Gerechtigkeit? Hier gibt es klasse Pizza und sogar ein Crêpe mit Nutella beim Franzosen. Inzwischen ist die Sonne rausgekommen, es ist gut warm. Ich sattle mein Fahrrad und fahre zur Kugel der Science World, Überrest der Weltausstellung 1986.

Der Radweg führt fast durchgehend am Wasser entlang. Sehr ungewöhnlich für Amerika. Am anderen Ende des False Creek findet sich Granville Island. Das ist eigentlich nur eine Halbinsel und besteht aus Restaurants, Bootszubehörläden und einer riesigen Markthalle (eine in den 70ern umfunktionierte Fabrikhalle). Je länger ich die Gänge rauf und runter laufe, desto mehr bin ich davon überzeugt, dass ich mich hier in einer Stunde tot fressen könnte.

Was mir vor allem auffällt, sind die Marktstände der Händler chinesischer Abstammung. Die stammen überwiegend von eingewanderten Eisenbahnarbeitern ab, die sich in Vancouver niedergelassen haben, als die Eisenbahn fertig gebaut war. Während die anderen Händler ihre Waren mehr oder weniger aufschichten, erinnern die Marktstände der Chinesen an Kunstwerke, Farben und Formen begeistern mich. Mal abgesehen davon, dass ich bei uns noch nie gelbe und orange Wassermelonen gesehen habe. (Anmerkung von Heike zu dem Thema: "im Globus gab es letztes Jahr welche". Ich lebe wohl doch hinterm Mond ...)

Dann fahre ich in den Stanley Park rüber. Erste Amtshandlung: am Automaten ein Parkticket gekauft, das für den ganzen Tag gilt - wir haben gelernt. Zweite Pflichtaufgabe ist die Besichtigung der aufgestellten Totempfähle der Haida-Indianer, die sind zwar original, stehen aber erst seit 15 Jahren da, deshalb ist die Farbe noch ziemlich frisch.

Auf der Mauer davor sitzt dieser junge Herr. Er hat sich allerdings - sehr zu meiner Verwunderung - nicht übermäßig für die geschichtsträchtige Kunst hinter sich interessiert.

Um die komplette Halbinsel herum führt ein Rad- und Fußweg, von dem aus man eine wunderbare Sicht über das Burrard Inlet und die Skyline von Vancouver hat. Übrigens: wem das folgende Bild etwas zu klein ist, sollte mal drauf klicken, das führt zum 600 kB großen Bruder. (Anmerkung für Nicht-Techniker: die zwei Streifen habe ich nicht rausgekriegt, scheiß Technik! - Anmerkung für Techniker: diese zwei hässlichen Übergänge sind entstanden, weil ich die Bilder von Hand zusammenkleben musste. Das ranzige Olympus-Programm hat beim automatisch Kleben zwar die Helligkeit angeglichen, dafür aber das halbe Bild gefressen. Und die zwei anderen Programme, die ich kenne und habe, die das vielleicht besser könnten, befinden sich zu Hause auf dem anderen Rechner. Für 8 Einzelbilder verlangen die nämlich einen Cray II oder doch zumindest erheblich mehr als meinen popeligen 600er Celeron mit 128 MB Hauptspeicher.)

Während ich die Bilder von Downtown aufnehme, fühle ich mich irgendwie beobachtet. Das hat einen einfachen Grund: vor mir ist ein Seehund (im Original zutreffenderweise 'harbor seal' genannt) aufgetaucht und schaut mir neugierig zu. Da ich ja zufällig die Kamera eingeschaltet und im Anschlag habe, wird gleich das erste Bild etwas. Das war auch nötig, danach ist der Kollege sofort wieder abgetaucht, mitten im belebten Hafen.

Um die Kurve herum bietet sich dann der Blick auf die Lions Gate Bridge, die Hafeneinfahrt von Vancouver. Später möchte ich da auch noch drüber fahren, dummerweise ist sie gerade wegen Renovierungsarbeiten gesperrt. Dann eben nicht.

Eigentlich bin ich ja nur zum Auto zurückgelaufen, um mir ein Sweatshirt zu holen (der Wind ist doch kühl). Auf der Wiese neben dem Parkplatz bietet sich mir allerdings ein unerwartetes Bild: ein Kricketspiel mit den weißen Segeln des Canada Place im Hintergrund. Da muss ich doch gleich zusehen. Es hat wohl doch Gründe, warum die Queen immer noch das kanadische Staatsoberhaupt ist. Allerdings sind auf dem Rasen überwiegend Gesichter zu sehen, die ich nach Indien einsortiert hätte.