Amerikareise 2001 - Kapitel 49: In die Berge oder ans Meer? 

... das wäre bei einer typisch deutschen Urlaubsplanung möglicherweise die erste Frage. Für den routinierten Amerika-Urlauber ist das gar keine Frage: er entscheidet sich für sowohl als auch! Der Trick heißt Olympic National Park. Los geht's an der Hurricane Ridge. Nachdem sich schon mein Camper tapfer den Berg hochgekurbelt hat, geht es noch mal 3 km zu Fuß weiter. Dann sieht man nach Norden die Juan de Fuca Strait und dahinter Vancouver Island, mit dem Fernglas kann ich deutlich die Hafeneinfahrt von Victoria und den Fisgard-Leuchtturm sehen. Weiter im Osten, schon in USA, ragt der schneebedeckte Mount Baker heraus.

Nach Süden bietet sich dieser Blick (wie gehabt, Klick drauf für Vergrößerung mit Namen). Das macht doch unseren Alpen schon beinahe Konkurrenz. A propos Bayern: während ich mich also gemütlich auf einen unbequemen Felsen niedergelassen habe, um mir ein Brot einzuwerfen, komme ich mit einer Medizinstudentin aus Seattle ins Gespräch, die mir von ihrem Aufenthalt im Hofbräuhaus in München erzählt. Ihr Onkel, den sie besuchshalber hier her geschleppt hat, entdeckt derweil weiter unten am Hang einige Wapiti-Hirsche (Elks). Während ich ihnen per Fernglas beim klettern zusehe, klärt uns der Onkel auf, dass man auf diese Entfernung etwa zwei Finger breit über den Kopf zielen müsse, wenn man sie genau erwischen wolle. Ein Ami ohne Knarre ist eben nur ein halber Mensch.

Auf dem Rückweg laufen uns dann einige Exemplare wortwörtlich über den Weg. Eher unbewegt rumstehen sehen kann man jede Menge wunderschön blühende Disteln (Heike, mein Archiv sagt: gemeine Kratzdistel cirisium vulgare), die sich bei den Honigsammlern großer Beliebtheit erfreuen. Ich konnte mich nicht für ein Bild entscheiden, also bekommt Ihr beide.

  

Wieder unten am Meer (die Stadt heißt Port Angeles) komme ich an einem Laden namens "the hair school" vorbei. Da es meine Haare langsam mal nötig hätten und sie nur 8 $ für eine Behandlung haben wollen, gebe ich dem Nachwuchs doch mal eine Chance. Drinnen sieht es aus, als hätte mich die Zeitmaschine in die 50er Jahre versetzt. Die Waschbecken alle in einer Reihe an der Wand, die Kunden wandern samt Kutte durch den Laden. Das Mädel, das an mir üben darf, traut sich noch nicht so richtig. Erst nach gutem Zureden wagt sie, ordentlich was abzuschneiden und auch mal mit der Schermaschine zu spielen. Dann werde ich vom Meister begutachtet und für ok befunden.

Am nächsten Morgen so um halb neun wollte ich eigentlich gerade ein Bild eines typischen friedlichen Bergsees machen. Aber mit der sonntäglichen Ruhe des Lake Crescent ist es in diesem Moment nicht weit her. Also gibt es eben ein Wasserski-Bild.

Wo wir gerade bei Wasser sind. Nächste Attraktion auf der Liste ist der Marymere-Wasserfall. Dazu wird das Auto auf der anderen Seite des Sees abgestellt. Noch besser als der Wasserfall hat mir allerdings der Weg dahin gefallen. Er schlängelt sich durch einen Wald, den ich jedem Hollywood-Regisseur nur als idealen Zauberwald empfehlen kann. Die Sonne wirft einzelne Strahlen durch ein dickes Blätterdach alter, hoher Bäume auf Farne und von den Ästen hängende Moose. Der Tau glitzert auf den Fäden eines Spinnennetzes. Zwar kein Urwald, aber neblig-feucht-geheimnisvoll. Wenn jetzt gleich ein Troll um die Kurve biegt, würde mich das nicht wundern.

Das war der nördliche Teil des Nationalparks, jetzt geht's nach Westen. Als ich am Hungry Bear Café vorbeikomme, gibt mir das ein hervorragendes Stichwort. Während ich also meinen Baconburger mit Caesar's Salad kaue, geraten die Mariners gerade gegen Cincinnati in Rückstand. Draußen geht die Übertragung im Autoradio weiter. Der Supermarkt in Forks sorgt dafür, dass ich auch beim Einkaufen keinen Run verpasse. Am Ende des fünften Inning biege ich zum Hoh Rain Forest ab, da verlässt mich der Sender - so ein Ärger!

Als ich im Regenwald ankomme, scheint die Sonne von einem wolkenlosen Himmel. Da sehen die Farne und das Clubmoss (das, was da so als Haare runterhängt) irgendwie dekoriert aus. Regenwald ohne Regen, nicht ganz authentisch. Wenn man aber liest, dass es hier pro Jahr zwischen 350 und 420 cm niederschlägt, ist schon eher zu erklären, wie dieses Grünzeug da oben wächst und sich nur aus der Luft ernährt, ohne von den Bäumen zu schmarotzen (der Botaniker nennt sowas Epiphyten). Im Sommer nicht über 25 Grad, im Winter fast nie unter null, so ein Treibhausklima lässt auch Fichten, Tannen, Zedern und Ahörner in ungeahnte Höhen wachsen. Und bringt Einheimische zur Verzweiflung. Oder wie soll man dieses Schild sonst verstehen?

Zum Wandern ist es ja schon ganz angenehm, wenn es trocken ist. Allerdings sind auch die Moskitos froh, endlich mal unverdünntes Blut zu bekommen. An der einen Stelle muss ich allerdings doch mal kurz stehen bleiben. Ein Filmteam lässt gerade einen Jungen den Spruch aufsagen, er stehe hier im einzigen Regenwald Washingtons, hier würden 14 feet Regen pro Jahr fallen usw. Irgendwas fehlt immer, ich höre ihn den Text sicher zehn mal anfangen. Haargenauso wie bei Loriot's "ich heiße Erwin Lottemann - äh - Lindemann, bin seit 66 Jahren Rentner und mein Sohn eröffnet im Sommer mit dem Papst eine Herrenboutique in Wuppertal".

Keine Stunde, nachdem ich den sonnigen Regenwald verlassen habe, komme ich gerade noch rechtzeitig, um mir an der Ruby Beach anzusehen, wie die Sonne untergeht. Und das nach allen Regeln der Kunst. Ich weiß gar nicht, wo ich die Kamera zuerst hinhalten soll.

Eigentlich müsste man hier an verschiedenen Stellen gleichzeitig sein, es gibt so viele wunderschöne Motive. Welch ein Glück, dass ich nicht alle 36 Bilder den Film wechseln muss, sondern frei von der Leber weg knipsen kann...

Kommt das jetzt besser zwischen den Felsen oder durch das Loch? Der Platz hinter dem Loch ist jedenfalls heiß begehrt, zwei andere Leute stehen schon Schlange, um genau da auch mal durchgucken zu dürfen.

Der Platz auf der anderen Seite des Bachs gehört allerdings ganz mir. Während die "Konkurrenz" nämlich lange Hosen und Sportschuhe trägt, habe ich meiner Hose gerade per Reißverschluss die Beine abgenommen und wate mit den Reefs nach drüben.

Dummerweise darf man im Nationalpark nicht über Nacht auf Parkplätzen stehen bleiben. So trenne ich mich also eher unfreiwillig von der Ruby Beach, um mir landeinwärts ein Plätzchen zu suchen, bevor es komplett dunkel ist.

Am nächsten Morgen sieht das Wetter zunächst etwas mehr nach Regenwald aus. Während ich den Strand entlang wandere, wird es allerdings schon wieder heller. So ganz schafft es die Sonne aber erst nach ein paar Stunden, den Dunst zu durchdringen.

Dann ist der Olympic National Park auch schon fertig. Dass ich danach direkt in der Quinault Indian Reservation bin, merke ich an den Bäumen. Genau gesagt, an den fehlenden Bäumen. Die vielen kahlen Stellen, die auch nicht nach Aufforstung aussehen, sollen dann wohl heißen, dass die Ureinwohner lieber Kohle gemacht haben, als den Wald zu schützen. Das gibt mir zu denken.