Amerikareise 2001 - Kapitel 51: Von Kröten und Streichholzbäumen

Es war einmal ein Berg, der lag richtig idyllisch mitten in der Cascades Gebirgskette. Um ihn herum jede Menge Wald, kristallklare Bergseen, einzelne Ferienhäuser oder Jagdhütten in Buchten versteckt. Ein kleines Paradies.

Geologen sagten, die symmetrische Form sei ein Zeichen für die Jugend des Bergs. Er sei erst 40.000 Jahre alt, der Aschekegel an der Spitze habe sich erst in den letzten 2.500 Jahren ausgebildet. Er sei deshalb der wahrscheinlichste Kandidat für einen Ausbruch unter den Cascades-Vulkanen. Die vulkanische Aktivität entlang der Pazifikküste wird dadurch verursacht, dass sich die schwerere Pazifische Platte unter die leichtere Nordamerikanische schiebt, an der Kante schmilzt Gestein und sammelt sich in Magmataschen. Wird der Druck zu groß, entlädt er sich in einer Eruption.

Anfang April 1980 erschüttern Erdbeben die Region, Experten warnen vor einem Ausbruch des Mount St. Helens. Nach heftiger Diskussion, in welchem Umkreis evakuiert werden soll, werden 10 km um den Vulkan geräumt. Am 18. Mai 1980 ist es soweit. Zuerst wölbt sich die Nordseite des Bergs, dann wird der Gipfel (bisher 2952 m, danach 2551 m) förmlich weggesprengt. Der Druckwelle folgt eine Schlammlawine, die noch 20 Kilometer weiter alles unter sich begräbt. Noch heute ist deutlich zu sehen, bis wohin sie den gegenüberliegenden Hang hochgeschwappt ist. 

All das habe ich so ungefähr im Hinterkopf, als ich durch den etwas wolkig-nebligen Wald fahre. Nichts deutet auf die Ereignisse vor 21 Jahren hin, bis ich um eine Kurve biege und auf einen Schlag um mich herum kein Wald mehr steht, sondern nur noch kahlrasierte tote Stämme. Das ist wirklich ein einschneidendes Erlebnis, vor allem angesichts der Tatsache, dass ich hier noch 15 km vom Krater entfernt bin.

Die heiße Druckwelle hat wie ein Fön (naja, ein ziemlich großer, starker Fön) alle nahe am Vulkan befindlichen Bäume herausgerissen, die etwas weiter entfernten flachgelegt und so etwa ab 12 km Entfernung nur noch kahlrasiert, aber stehen lassen. Auch wenn man den Krater hinter zwei Hügelketten nicht sieht, kann man heute noch genau sagen, in welche Richtung er liegt. Wie Eisenspäne in einem Magnetfeld liegen die Baumstämme ausgerichtet, geknickt wie Streichhölzer. Gespenstisch.

Ich nähere mich dem Krater von Nordosten, angeblich die schönere Aussicht und weniger bevölkert, da abgelegener. Da dieses ein National Volcanic Monument ist, untersteht es der Forstverwaltung, nicht der Nationalparkverwaltung. Anders formuliert, die 5 $ Eintritt sind mal wieder nicht durch meinen Park-Pass gedeckt. Nachdem Scott, der Aushilfs-Ranger, uns am Windy Ridge Aussichtspunkt genau erklärt hat, was da wie vor sich ging, treffe ich ihn am Meta Lake noch mal und bekomme hier mangels anderer Touristen eine persönliche Führung.

Scott erzählt, wie um diesen See herum an Lee (windabgewandte Seite) kleine Bäume unter dem Schnee überlebt haben und wie hier zwischendurch sogar mal Biber vorbeigezogen sind. Und dass in diesem See eingesetzte Forellen leben, die die Park Ranger am liebsten herausgefischt sehen würden, weil sie das natürliche Gleichgewicht durcheinanderbringen. Auf dem Weg sehe ich einen Kolibri an den Fireweed-Blüten. Den hätte ich hier nicht erwartet. Noch überraschter bin ich allerdings, als ich das Seeufer mal etwas genauer ansehe. Dieser dunkle Streifen da bewegt sich nämlich.

Na, könnt Ihr schon was erkennen? Nicht genau? Gut, dann gehen wir noch etwas näher ran. Ich lasse mich aufklären, dass es sich hier um Western Toads (Kröten) handelt. Zum Teil sind sie schon fertig mit Beinen ohne Schwanz an Land, ein kleinerer Teil schwimmt noch als Kaulquappe im Wasser. Diesem Gewusel könnte ich stundenlang zusehen!

  

Beinahe hätte ich gesagt, auf dem Rückweg bewundere ich wie üblich die Blumen. Stimmt ja schon irgendwie, aber bei dieser Pracht kann man einfach nicht genug kriegen.

Das gilt auch für die Aussicht auf die benachbarten Cascades-Vulkane. Den Mt. Tacoma im Norden habe ich ja schon eingehender betrachtet, blieben noch Mt. Hood im Süden und Mt. Adams im Osten (3744 m, Bild). Ich kann Euch allerdings beruhigen, Berge habe ich jetzt zunächst genug. Vor allem das Gekurbel auf den Sträßchen reicht mir dann erst mal!

Wer noch mehr wissen möchte, kann sich ja mal  die Homepage des Monuments samt Webcam ansehen.