Amerikareise 2001 - Kapitel 61: Antike Tempel und tanzende Dänen

Südlich von Monterey findet sich das einzige Stück Küste in Kalifornien, das noch nicht komplett mit Häusern zugepflastert ist. Über 100 Kilometer windet sich die Straße an einer zerklüfteten Küste entlang. Wenn sich der Nebel gerade mal etwas lichtet, bieten sich wunderschöne Aussichten auf Buchten, Klippen und Felsformationen. Da das Meer hier komplett unter Schutz gestellt ist, kann man an den sandigeren Abschnitten der Küste Seeelefanten (Bild) oder Seelöwen sehen. Je nach Jahreszeit ist die Präsenz allerdings unterschiedlich, mal sind nur Jungtiere, mal nur angehende Mütter an Land.

Bei San Simeon findet sich dann eine Sehenswürdigkeit ganz anderer Art. Seit 1865 hat dort George Hearst, erfolgloser Goldsucher aber sehr erfolgreicher Silberfinder, mehr als 2.700 km² Ranchland erworben. Kurz nach seinem Tod 1919 begann sein Sohn und Erbe William Randolph Hearst (seines Zeichens Pressemogul) damit, sich auf dem Enchanted Hill® sein Traumschloss zu bauen ("a little something"), heute als Hearst Castle™ bekannt. Die nächsten 28 Jahre verbrachte er damit, seine Architektin Julia Morgan und zahllose Handwerker mit immer neuen Ideen zur Verzweiflung zu bringen. Bis 1947 waren 165 Räume und über 5 km² Gartenanlagen zusammengekommen.

Noch bevor alles fertig war, starb Hearst. So ist am Haupthaus (eine Kopie der Kathedrale von Ronda) rechts hinten ein Turm zu sehen, dessen Beton-Rohbau noch nicht verkleidet wurde. Ansonsten hat Hearst keine Kosten und Mühen gescheut, von ägyptischen Sphinxen über griechische Tempel (Bild unten) bis zu mittelalterlichen Wandteppichen oder Deckenvertäfelungen alles zusammenzukaufen und in sein Märchenschloss einzubauen, was so zu bekommen war. Der Rest wurde kurzerhand nachempfunden. Und wenn das Ergebnis nicht perfekt war, wurde es eben abgerissen oder mit etwas anderem überbaut.

Auch wenn man sicher einwenden kann, dass das Geld hätte sinnvoller ausgegeben werden können oder dass antike oder andere wertvolle Stücke beschädigt weil passend zurechtgestutzt wurden, mich erinnert das Ganze sehr an unseren bayerischen Kini Ludwig II und seine Schlösser Neuschwanstein oder Herrenchiemsee, nur dass hier eben Geld genug vorhanden war. Phantasievoll, verspielt, bisweilen etwas verrückt - aber irgendwie auch tatsächlich verwirklichte Träume, wie im Kino - nur real. Dieser Zusammenhang ist übrigens nicht ganz zufällig. Der National Geographic Film im Besucherzentrum zeigt den jungen William Randolph, wie er mit seiner Mutter in Germany eine Fahrt den Rhein hinauf nach Neuschwanstein unternommen hat. Ich bin erneut erstaunt, wie sich die Geografie seit dem verändert hat.

In San Luis Obispo habe ich mir vorgenommen, mal wieder mit der restlichen Welt in Verbindung zu treten. In einem Internetcafé namens Virtual World Café gestaltet sich das so: ein Becher Pop (Limo) oder ein Kaffee schließen eine halbe Stunde Onlinezeit ein. Man setzt sich draußen auf der Terrasse in die Sonne, ausgestattet mit einer schnurlosen PCMCIA-Karte. Und schon fliegt die Kuh! Ich bin mal wieder erheblich erstaunt. Außerdem erwerbe ich in Arroyo Grande zum zweiten mal ein Sattelrohr. Diesmal allerdings das Profimodell aus Alu (35 DM), diese Stahlrohre taugen einfach nix :-(

Dieser Strand nennt sich Grover Beach. Da darf man für 3 $ nach Belieben den Strand rauf und runter fahren oder mit diversen Vehikeln (genannt ATV, Bild rechts) die Dünen unsicher machen. Für 3 $ extra kann man weiter hinten auch direkt am Meer campen. Da möchte man doch glatt noch mal Kind sein. Was hätte uns das damals Spaß gemacht!! Allerdings würde ich bezweifeln, dass in Deutschland je ein staatliches Kraftfahrzeugerholungsgebiet (state vehicular recreation area) eingerichtet werden wird. Manchmal hat die Liebe der Amis zu ihren Autos doch ganz eindeutig Vorteile. Nachdem ich in Australien auf Fraser Island schon mal mit einem Allrader den Strand entlang geheizt bin (allerdings, weil es auf der Insel keine anderen Straßen gibt) habe ich mich richtig darauf gefreut, es hier mal wieder zu tun.

Die Freude hält allerdings nicht sehr lange an. Schon beim ersten Versuch, einfach nur rumzudrehen, bleibt die Kiste stecken. Und zwar nicht, weil sie sich im Sand eingegraben hätte. Der australische Toyota LandCruiser hätte über diesen Sand nur müde gelächelt. Nein, trotz eingeschaltetem 4WD low haben die Räder einfach beschlossen, sich nicht mehr drehen zu wollen, die Kupplung hat einfach ausgekuppelt. Da half auch gut Zureden und Fluchen nix. Erst nachdem ich die Hälfte meiner mühsam erworbenen Luft aus den Reifen gelassen und zwei Runden Sand gebuddelt hatte, hoppelte das Fahrzeug glücklich auf festeren Untergrund. So blieb meine weitere Kraftfahrzeugerholung auf den vorderen, festen Strand beschränkt. Da dreht übrigens ein Kollege im Abschleppwagen seine Kreise - erinnert mich so ein Wenig an einen Aasgeier...

Bis zum Abend war der Strand mit diversen Zelten, Wohnwagen und knatternden Fahrzeugen aller Art bevölkert. An Sommerwochenenden sollen hier bis zu 20.000 Leute sein. Meine Hoffnung, nach Einbruch der Dunkelheit würden sich die benachbarten Erholungssuchenden an ihre Lagerfeuer zurückziehen, war allerdings unbegründet. Auch mitten in der Nacht (so gegen drei Uhr bin ich mal wieder aufgewacht) pflügen diverse Dragster durch den Sand. Bisweilen ist es gar nicht schlecht, dass nicht alle meine stillen Wünsche in Erfüllung gehen, glaube ich.

Da in Kalifornien ein Gesetz die Tankstellen verpflichtet, Luft und Wasser kostenlos an Kunden abzugeben, tanke ich eben gleich noch. So erhalte ich - wenn auch zähneknirschend - einen Token, der für eine Minute Luft Pumpen gut ist. Leider sind tragbare Luftpumpen in USA unbekannt und die fest montierten Schläuche grundsätzlich so kurz, dass sie nicht um das ganze Auto herum reichen. Bis ich die Kiste rangiert habe, ist natürlich aus der Maschine schon wieder die Luft raus. Also muss mir der Herr Tankwart noch zähneknirschender noch einen Token rausrücken. In anderen Staaten hätte ich jetzt schon bis zu 2,20 DM ausgegeben gehabt.

Wir bewegen uns auf Solvang zu, und auf Helloween. Deshalb gibt es am Straßenrand nicht nur Obst und Gemüse direkt vom Verkäufer, sondern auch haufenweise große Kürbisse, die darauf warten ausgehöhlt zu werden. Kleine Kürbisse haben wir auch reichlich, allerdings wohl eher zu Zierzwecken.

Später auf der Fahrt entdecke ich in Bakersfield dann noch die kinderfreundliche Hüpfburg-Variante eines solchen Großkürbis-Großhandels. Was sie außerhalb der Saison mit ihm anfangen?

So schnell sind wir mit Solvang allerdings noch nicht fertig. Dieses Städtchen ist nämlich eigentlich dafür bekannt, die dänische Insel im großen Amerika zu sein. Einige der Fachwerkhäuser sind sogar tatsächlich schon über 100 Jahre alt, die meisten sehen nur so aus. Aber gute Kopien sind den Amis sowieso lieber...

Zufällig bin ich auch noch am jährlich stattfindenden dänischen Wochenende gekommen. Da wird die Hauptstraße für die Autos gesperrt, sie haben diverse Futterstände aufgebaut, man kann einem "Holzschnitzer" mit Kettensäge zusehen und es gibt eine Parade.

Vorneweg erklären wir Solvang zur dänischen Hauptstadt Amerikas, dann folgt ein altes Feuerwehrauto mit dem Grand Marshall, danach hätten wir einen Pferdewagen der Carlsberg-Brauerei mit einer Polka spielenden Kapelle drauf, diversem bunt gekleidetem Fußvolk, einer Reihe Oldtimer, die Wells Fargo Kutsche (die Ihr schon aus Kapitel 57 kennt), einige Wagen mit Schweinen und Gänsen drin, die marching band der high school, die Baptisten und einige eigenartige Dinge mehr, das alles angesagt von einem Original-Wikinger. Das Klemmbrett, von dem er abliest, ist übrigens ein runder Schild.

Nach der Parade gönnt sich die Polka-Kapelle erst mal ein paar Bier, während ich eine original dänische Bratwurst, eingewickelt in einen mexikanischen Tortilla-Fladen erwerbe. Sehr authentisch. Danach gibt's noch gebackene Teigbällchen mit Puderzucker und Marmelade, köstlich. In der Zwischenzeit spielt die Musik wieder, dazu tanzen einige Original-Dänen mit roter Zipfelmütze.

Derweil genieße ich es, bei dem wunderschönen Wetter noch eine Runde durch die "Altstadt" zu drehen. Sie haben sich viel Mühe gegeben, die Stadt nicht amerikanisch aussehen zu lassen. Viel Grün, enge Wege und Gässchen, viele Restaurants, bei denen man draußen sitzen kann. Wie zum Beispiel dieses hier - habt Ihr übrigens gewusst, dass Heidelberg eigentlich in Dänemark liegt?

Na ja, den bierdurstigen Amis wird's egal gewesen sein. Mir reicht's jedenfalls, ich mache mich auf den Weg Richtung LA. Auf einem Rastplatz hoch über dem Lake Cachuma schaue ich dann mal wieder der Sonne beim untergehen zu.

Ich kann mich schon wieder nicht entscheiden, was mir besser gefällt, die Wolken oder die Hügel mit See. Also bekommt Ihr einfach Beides...