Amerikareise 2001 - Kapitel 62: Stranddisco und Basar

Die Ortsnamen Malibu oder Venice machen klar, ich bin im Großraum Los Angeles angekommen. Wie sich das gehört, mache ich mich als erstes mal auf dem Weg zum Strand. Während ich schön auf meinem Fahrrad bleibe, wird sich Manfred ein Paar Inliner mieten, nur um danach über die nicht rollenden Billig-Rollen zu klagen und sie recht schnell wieder zurückzugeben.

Obwohl es eigentlich mit dem Wind eher kühl ist, findet hier eine Roller-Party mit ziemlich weit aufgedrehten Boxen statt. Das Niveau reicht von dreifachem Toeloop bis zu recht wackligen Einfachbewegungen. Jedenfalls ganz lustig, wenn man nur zusehen braucht. Nach einiger Zeit interessiert es mich dann doch, was die Ansammlung von Leuten am Strand (oben auf dem Bild ganz hinten links) zu bedeuten hat. Je näher ich komme, desto mehr ist ein recht eintöniger Rhythmus zu hören. Hier ist ein Treffen der unterschiedlichsten Trommler im Gange, bisweilen recht lustige Typen ...

   

Mir geht das Getrommel allerdings recht schnell auf die Nerven, also klappere ich noch eine Weile die Uferpromenade von Venice Beach ab. Hier findet sich von Massagen, Pizzastücken für 99 Cent oder gebraucht-CDs über Handlesen und Sonnenbrillen für 5 $ bis zu verkündeten frohen Botschaften und sonstigem Ramsch fast alles, was einem Strandurlauber das Geld aus der Tasche ziehen könnte. Auf der anderen Seite finden sich Tennisplätze, ein Skateboardbereich und Betonwände, an denen die hiesige Jugend Squash spielt, allerdings mit einem Gummiball und bloßen Händen.

Für den nächsten Tag ist die Downtown-Tour angesagt. Hier hat sich seit 1987 doch ausgesprochen viel geändert. Eigentlich wollte ich die walking tour, die da angepriesen wird, mit dem Fahrrad abfahren. Das erweist sich als recht schwierig, da die Innenstadt auf einem Hügel liegt und die steilen Straßen öfter mal von Treppen unterbrochen werden.

Die Gegend der City Hall finde ich nicht extrem begeisternd, die kürzeste Bergbahn der Welt besteht inzwischen dummerweise nur noch aus den kürzesten Bergbahnschienen der Welt, dafür bekomme ich in der Essecke latschige Spaghetti und köstlichen Salat vom Buffet. So schaue ich mich noch etwas zwischen den spiegelnden Hochhaustürmen um. Wenn da nicht überall fotografierende Touristen stehen würden ...

Bleibt nur noch der Blick nach oben. Einerseits sorgt die Sonne dafür, dass es für körperliche Betätigung schon wieder zu warm ist, andererseits findet der Fotograf in mir die Sonne und die Wölkchen sehr fotogen.

Der Abstecher nach Little Tokio lohnt sich eigentlich nur für Leute, die japanisch lesen können oder das Essen und den Plastik-Krimskrams mögen. Ich bin recht schnell wieder weg.

Um die alte Mission Nuestra Señora Reina de los Angeles herum haben sie eine Straße und einen Platz als State Park deklariert und so hergerichtet, dass Touristen die Ursprünge der Ansiedlung Unserer Mutter der Königin der Engel begutachten können. Hinwärts hat das Feuerwehrhäusel geschlossen (weil Montag), aber auf dem Rückweg gelingt es uns, einen Blick hinein zu werfen. Jede Menge alte Wasserspritzen auf Pferdewagen. Nicht groß, aber nett gemacht.

Die Olvera Street ist eine Ansammlung mexikanischer Lederstände, Schnellimbisse und Souvenirgeschäfte. Das kriege ich hoffentlich noch authentischer. Auch das Besucherzentrum ist schon zu (wir schließen um 15 Uhr), aber das 1818 als Adobe gebaute Avila-Haus schaffe ich gerade noch. Die Einrichtung ist ganz interessant, vor allem die Küche. Am meisten gefällt mir allerdings die Übersetzung draußen im Hof:

Während Amis aufgefordert werden, den Kaktus nicht zu berühren, dürfen Mexikaner nur keine Namen einritzen. Ich halte mich vorsichtshalber mal an beide Bitten.

Einige Querstraßen weiter zeigen schon die Straßenschilder, dass in Los Angeles nicht nur die Japaner ihr eigenes Viertel haben. Auch die Chinatown sieht bis heute so ein klein Wenig unamerikanisch aus. Da wäre zum Beispiel der Glücksbrunnen. Wer hier mit der geworfenen Münze die entsprechende Schüssel trifft, dem wiederfährt das angeschriebene Glück.

Von vorne (einfach) nach hinten (schwer zu treffen): Glück, Lottogewinn, Geld, Liebe, Reichtum, Urlaub. Soll das bedeuten, dass ich mich derzeit gerade im höchstmöglichen Glückszustand befinde? Dann werfe ich doch lieber keine Münze rein, das führt ja maximal zu einer Glücks-Degradierung. Ich würde wahrscheinlich sowieso nur die Wasserschildkröten im Vordergrund treffen.

Da beschränke ich mich doch lieber gleich auf einen Bummel durch die "Schaufenster" der Läden oder besorge mir in der Bäckerei um die Ecke einen Wassermelonensaft. Dieses Vorhaben scheitert allerdings zunächst daran, dass mich die Oma hinter der Theke nicht versteht. Sie kann kein Englisch, und sowohl mein Chinesisch als auch meine Zeichensprache für Wassermelone waren wohl nicht gut genug. So muss die Tochter dolmetschend eingreifen.

Der Einkaufsbummel setzt sich auf der anderen Straßenseite fort, in einer Umgebung, die wohl am Besten mit "Basar" umschrieben ist. Jede Menge kleiner Läden, die ihre Stände bis weit auf die Straße ausgedehnt haben (das da oben ist nur ein Zelt-Sonnendach). Überwiegend im Angebot: Klamotten, Elektronik, Schuhe und Lederwaren, chinesische Videokassetten sowie jede Menge chinesischer Plastikkrimskrams. Dass Chinesen ihr ganzes Leben hindurch weiter versuchen, alle Schriftzeichen ihrer Schrift zu lernen, hat man ja schon gelesen. Hier finde ich ein praktisches Beispiel: während das Mädel den Stand hütet, schreibt sie mit einem Tuschepinsel die Zeitung in ein altes Telefonbuch ab.

Dann wird es langsam Zeit, einen Platz für die Nacht anzusteuern. Direkt am Strand hat die Stadt einen recht neuen Campingplatz eingerichtet, der nicht mal teuer ist und sogar (zu) heiße Duschen hat. Die Aussicht macht doch durchaus was her, oder? Und wer zwingt mich denn, dazuzuschreiben, dass dieser wunderschöne Platz beinahe direkt in der Einflugschneise des Flughafens von LA liegt? Als die Waschmaschinen nur einen Dollar je Ladung verlangen, wird kurzerhand auch noch Waschtag angesetzt. Zum Dank schlitzt mir eine der Waschmaschinen meine grüne Shorts auf - jetzt weiß ich, warum sie so billig war!