Amerikareise 2001 - Kapitel 67: Besuch beim Generalstab

Auch jenseits der Grenzen des Joshua Tree Nationalparks ändert sich an der Landschaft nicht viel. Mojave-Wüste, soweit das Auge reicht. Geröll, trockene Sträucher, Joshua Trees und gewaltige Hitze. Und zwischendrin immer mal wieder Häuser mit sattgrünem Vorgarten, swimming pool und Klimaanlage. Das ist übrigens ein gutes Stichwort: meine Klimaanlage habe ich bei 37° C Außentemperatur auch angeworfen, das hält ja kein Mensch mehr aus. Mein Kühlschrank übrigens auch nicht. Da taut schon das Eis im Gefrierfach und verursacht eine ordentliche Überschwemmung weiter unten. Als ich schon beschlossen habe, mir in Bakersfield eine Werkstatt zu suchen, berappelt er sich aber und kühlt langsam wieder.

So, da hätten wir also schon mal eine Stromquelle für die Klimaanlagen. Zumindest wenn Wind herrscht, und die Windmühlen noch nicht demontiert sind. Seit die Regierung nämlich die Steuervorteile gekürzt hat, lohnt der Betrieb vieler Windräder nicht mehr, sie stehen dann als Stängel ohne Rotorblätter in der Landschaft. Das Wasser für die Beregnungsanlagen käme eigentlich aus dem Lake Kaweah, wenn da nicht irgendwer den Stöpsel rausgezogen hätte. Der Steg für die Boote der Freizeit-Kapitäne sitzt beinahe auf dem Trockenen.

Kaum ist die Sonne untergegangen, sinkt die Temperatur im San Joaquin Valley auf erträgliche 28° C herunter.  Ich steuere gerade einen Truck Stop meiner Lieblingskette Flying J an, heute habe ich die Dusche besonders dringend nötig. Derweil erzählen sie im Radio von den dümmsten Räubern: da hat angeblich einer eine Bank überfallen, indem er dem Kassierer einen Zettel mit haufenweise Schreibfehlern hingeschoben hat. Der Kassierer hat ihm das Geld gegeben, aber erklärt, es sei Bankpolitik, Geld nur gegen Namen und Unterschrift rauszugeben. Der Räuber hat seinen richtigen Namen und seine richtige Adresse angegeben, wo ihn kurze Zeit später die Polizei beim Geldzählen überraschte. Das ist wirklich ohne Worte.

Am nächsten Morgen wird noch schnell der Tank mit Billig-Sprit gefüllt (umgerechnet kostet der Liter hier gerade mal 70 Pfennige), dann nix wie weg. In 20 Minuten habe ich mich von 500 m Höhe und angedrohten 38° C durch endlose Kurven auf 2000 m Höhe und angenehme 23° C hochgearbeitet. Ziel ist der Sequoia NP. Wie im Kapitel 53 schon angekündigt, wachsen hier die kleineren, aber dickeren Verwandten der Redwoods.

Um das möglichst einfach zu illustrieren, haben sie 1947 einen Baumstamm neben die Straße gelegt. Sein Stamm hat an der Wurzel 6 Meter Durchmesser, nach oben hin wird er etwas dünner. Wer schon mal sein Auto drauf gefahren hat, weiß, wie eng es tatsächlich ist. Das kommt auf den Fotos leider nicht so ganz raus.

Ein paar Kurven weiter findet sich der Treppen-Aufstieg zum Moro Rock. Warum der so heißt wie er heißt weiß keiner, aber er bietet eine erstklassige Aussicht in alle Richtungen, wenn man mal schnaufend oben steht. Am schönsten ist es Richtung Süd-Osten auf die Sierra Nevada.

Nächster Fotopunkt ist der Tunnel Log. Seit dem 4. Dezember 1937 liegt dieses 83 m lange und bis zu 6 m dicke Stämmchen auf der Straße. Autos, die weniger als 5 m breit und 2,40 m hoch sind, fahren da auch gerne durch. Da ich so schnell noch nicht obdachlos werden möchte, belasse ich es bei einem was-wäre-wenn-Bild.

Jetzt aber genug mit liegenden toten Vertretern der Gattung seqoiadendrum giganteum. Natürlich stehen einige dieser süßen Bäumchen auch noch aufrecht. Zwischen diesen Stämmen des Parker Grove komme ich mir deutlich spärlicher vor als üblich ...

Eigentlich wäre ich ja gerne noch ein Wenig zwischen den Riesen durchgewandert. Leider ist der Big Trees Trail wegen Umbauarbeiten gesperrt. Also fahre ich eben an der Baustelle des Giant Forest Museums vorbei, nur um festzustellen, dass der President's Trail ebenfalls dicht ist. Sie krempeln gerade den kompletten Park um. Neuere Forschungen haben wohl festgestellt, dass trampelnde Touristen die Wurzeln der Riesen derart schädigen, dass die Giganten jetzt vor den Menschen besser geschützt werden müssen, falls sie nochmal 1.000 Jahre leben sollen. Bleibt mir also nur noch, eine Runde um das größte lebende Ding der Erde zu drehen.

Das hier ist er. Er ist weder der höchste (84 m, Redwoods bis 110 m), noch der bezogen auf den Durchmesser dickste (11 m, andere Sequoias schaffen über 12 m), noch der älteste (2.300 bis 2.700 Jahre, andere Sequoias bis 3.200 Jahre) Baum der Welt. Aber er hat mit 1500 m³ mehr Volumen als jedes andere lebende Etwas auf der Welt. Für seine Verhältnisse vorgestern wurde er nach dem Bürgerkriegs-General William Tecumseh Sherman (1820 - 1891) benannt. Inzwischen werden die Bäume übrigens nicht mehr getauft.

Wie man so alt wird? Chemikalien in der Rinde der Sequoias verhindern das Eindringen von Insekten oder Pilzen. Die Dicke der Rinde verhindert, dass die regelmäßig auftretenden Feuer großen Schaden anrichten können. Sequoias fallen deshalb meistens ganz lebendig um, weil ihre Wurzeln beschädigt wurden oder ein starker Sturm sie einfach umgeworfen hat. Vorfahren dieser Riesen gab es schon vor 60 Millionen Jahren. Auf die wenigen noch heute existierenden Gebiete reduzierte sich der Bestand vor etwa 2,5 Millionen Jahren, als das Klima trockener wurde.

Der dauernde Blick nach oben auf belaubte Riesen lenkt von den Schönheiten am Boden ab. Als ich ihn sah, hielt ich ihn noch für einen Admiral, passend zu den Generälen rundherum. Inzwischen hat mich meine Fauna-Consulting-Agentin allerdings darüber aufgeklärt, dass es sich hierbei um einen ordinären Distelfalter handelt.

General Grant (Ulysses S., ebenfalls Held des Bürgerkriegs und 1869-77 auch Präsident der USA), der offizielle Weihnachtsbaum der USA steht übrigens drüben im Kings Canyon NP, mehr dazu im winterlichen Kapitel 95. Um zu den Sequoias im Kings Canyon zu kommen, verlässt man den Sequoia National Park auf dem Generals Highway, um durch das Giant Sequoia National Monument zu fahren, das wiederum Teil des Sequoia National Forest ist. Wenn das mal noch jemand durchblickt.

Ebenda gibt es jedenfalls einen Campingplatz namens Tenmile, der nicht nur fast menschenleer und total gratis ist, sondern auch noch von einem wunderschönen Bach durchflossen wird. Soll man sich bei dieser paradiesischen Umgebung wirklich noch darüber ärgern, dass es diesmal das Knacken des Kühlschranks ist, was mich mitten in der Nacht weckt? Irgendwann gegen halb fünf war wohl die Gasflasche leer. Wie praktisch, dass die große Taschenlampe draußen gerade fast in Vollmondposition ist, das macht das "Umklemmen" der Gasflaschen deutlich einfacher. Leider sieht man damit nicht mehr viel vom Sternenhimmel - aber dafür wäre es mir sowieso zu kalt draußen.