Amerikareise 2001 - Kapitel 53: Rote Bäume und ein rotes Auto

Es war einmal vor der letzten Eiszeit, da wuchsen in weiten Teilen Europas, Asiens und Amerikas riesige Bäume. Sie wurden wegen ihrer rötlichen Farbe schon damals Redwoods genannt. In der Zwischenzeit hat sich das Klima verändert, es sind nur noch drei Arten übriggeblieben. In Nord-Kalifornien die Küsten-Redwoods (sequoia sempervirens), bis zu 112 Metern hoch, dafür nicht so dick und auch nur 2000 Jahre alt; im Inland Kaliforniens die Riesensequoias (seqoiadendrum giganteum), nur bis 95 Meter hoch, dafür bis 38 Meter Umfang und 3200 Jahre alt. Der Bestand war in der Zwischenzeit übrigens sehr ernsthaft bedroht, weil ein gewisser homo sapiens mit Äxten und Kettensägen auf die Baumriesen losging. In abgelegenen Ecken Chinas wachsen dann noch Verwandte, die Morgendämmerung-Redwoods (metaseqoia glyptostroboides). Üblicherweise sind Chinesen ja etwas kleiner, deshalb bringen es die Redwoods dort auch nur auf gut 60 Meter.

In dieser Geschichte sind erst mal die Küsten-Redwoods dran. Wenn man versucht, diese Bäumchen auf ein Bild zu bannen, stellt sich schnell das weiteste Weitwinkelobjektiv als zu eng heraus. So bleibt also nur übrig, die Kollegen abschnittsweise zu knipsen und später zusammenzustückeln (siehe Kapitel 67) oder sich mit einem Teil zu begnügen. So ein Blick in die Baumkronen macht die Dimensionen allerdings noch nicht so richtig klar. Bringen wir doch mal den Camper ins Bild (wohlgemerkt, das hier ist die dünnere Sorte, maximal 7 m Durchmesser!).

Wir befahren übrigens gerade die Howland Hill Road im Jedediah Smith State Park. Diese knapp 10 km lange Straße wäre bei uns wohl ein Waldweg, den man nur durchwandern darf. In der Autonation USA ist das nicht mal eine Einbahnstraße. Anders formuliert, bis dieses Bild entstanden war, hatte ich den Verkehr schon in beide Richtungen zum Erliegen gebracht. Es gibt dann aber tatsächlich noch Ecken, in die man nur zu Fuß kommt. Da wäre beispielsweise der Stout Grove, den ich mir etwas näher ansehe.

Das Geheimnis des hohen Alters dieser Bäume erklärt sich überwiegend mit dem in ihrer Rinde enthaltenen Bitterstoff Tannin. Er ist für die rötliche Farbe verantwortlich, aber auch dafür, dass Insekten und Pilze keinen Appetit auf diese Bäume haben. Außerdem verhindert er, dass die Rinde bei den etwa alle 50 Jahre auftretenden Waldbränden ernsthafte Schäden erleidet. Mehrere starke Feuer an der gleichen Stelle machen den Redwoods im Laufe der Zeit allerdings zu schaffen. So ist dieser Baum hier nur noch eine überdimensionale Bohnenstange.

Ob es jetzt die sprichwörtliche deutsche Ordnungsliebe war, die mich da gedrängt hat, aufzuräumen, oder mehr die Erinnerung an Kindertage, als wir im Wald auch immer Bäume ausgerissen haben (die waren allerdings nur ein paar Zentimeter dick und schon reichlich morsch), kann ich nicht genau sagen. Jedenfalls ist dieser tote Riese jetzt fällig.

Am Anfang hat er sich noch so ein Wenig gewehrt, ich bin ganz ordentlich ins Schwitzen gekommen. Die Wurzeln sind zwar nur etwa drei Meter tief, aber dafür bis zu 24 Meter ausgebreitet. Da musste ich schon kräftig drücken (und, um hier nicht in den Verdacht zu kommen, ich wolle schwindeln: ein recht stämmiger Ami, der gerade vorbeikam, hat sich von der anderen Seite an den Stamm gehängt, alleine hätte ich es wohl nicht geschafft). Am Ende hatte der Riese aber keine Chance, er wurde flachgelegt. Zuerst wollte ich ihn als Souvenir mitnehmen, aber man darf ja in Nationalparks nichts mitnehmen, so habe ich mich eben mit einem Trophäenfoto begnügt.

Weiter südlich kurvt der Highway sehr sehenswert durch den Redwood-Wald, da lege ich doch noch einige Kilometer wandernd zurück. Mal verläuft der Weg in der Sonne, da zerfließe ich beinahe in der langen Hose. Dann habe ich wieder die Shorts angezogen und fröstle doch erheblich im schattigen Wald. Volkswirtschaftler würden das Schweinezyklus nennen, ich finde es einfach nervig.

Der Nationalpark schützt übrigens nicht nur rote Riesen, sondern auch ein größeres Stück Küste. So fahre ich also an Trinidad (ohne Tobago) vorbei nach Samoa. Da bestätigen sich doch alle Vorurteile, Amis hätten von Geografie keine Ahnung. Der Highway verlässt die Küste, ich biege noch ein Stück weiter landeinwärts ab, um die Strecke durch das Napa Valley zu nehmen.

Dieses nette Anwesen in einem Ort namens Nice (Nizza) am Clear Lake könnte doch ohne Schwierigkeiten auch in nämlichem Ort am Mittelmeer zu finden sein (vielleicht nur mit zwei Garagen statt dreien). Und wenn man mit dem Finger auf dem Globus den Breitengrad (39°7' N) auf die andere Seite der Kugel verfolgt, landet man tatsächlich ungefähr auf der Höhe von Valencia. Kein Wunder, dass mir verflixt warm ist. Als im nächsten Dorf (namens Luzern, wir springen mal wieder) ein öffentlicher Strand Abkühlung verspricht, mache ich die Badehose startklar. Ungeschickterweise wird der "Clear Lake" seinem Namen ganz und gar nicht gerecht. Ich bin umringt von Algen, die das Badevergnügen doch erheblich eindämmen.

Nicht lange danach sollte ich übrigens noch mal an vergangene Familienurlaube am Mittelmeer erinnert werden: an einer Tankstelle steht eine verflixt ähnliche Kopie des Sacherer'schen Campingmobils. Erst beim genauer Hinsehen werden Unterschiede deutlich (Schlafaugen, kein Gummi in der Stoßstange, kein Reserverad vorn, Blinker seitlich usw.). Das waren noch Zeiten ...