Amerikareise 2001 - Kapitel 30: Gold!

Wie angekündigt, wollen wir uns noch etwas mit besagtem Herrn Carmack beschäftigen. Als sein Handelsposten 1896 bankrott war, zog er mit seiner indianischen Frau Kate nach Norden, um nach Gold zu suchen. Ein paar Meilen flussaufwärts von Fortymile schlug er sein Lager an der Mündung des Tr'ondëk (sprich thron-daik, heute Klondike, im Bild von oben kommend) in den Yukon (im Bild unten) auf. 

In einem Bach namens Rabbit Creek (Pfeil, heute Bonanza Creek) findet er am 16. August 1896 in fünf Minuten soviel Gold wie ein durchschnittlicher Goldsucher sonst in einer Woche. Dazu kursieren Geschichten, seine Frau habe das Gold zufällig beim Wäschewaschen gefunden - unbestätigt. Andere Quellen sagen, sein Schwager Skookum Jim (der eigentlich Keish hieß) habe das Gold tatsächlich gefunden, aber Indianer haben damals ja nicht gezählt. Jedenfalls hat er es danach verhältnismäßig eilig, nach Fortymile zurück zu kommen, um den Fund unter seinem Namen zu registrieren. Als er seine Geschichte am Abend im Saloon erzählt, halten die anderen Gäste die Story für das übliche Angler- oder besser Goldsucherlatein, der gute George sucht schließlich schon seit Jahren mit sehr mäßigem Erfolg nach Gold und erzählt gerne Geschichten. Als er dann aber die glänzenden Beweise auf den Tresen legt, wird es recht schnell einsam um ihn herum. Innerhalb von wenigen Tagen waren der Bonanza Creek und der benachbarte Eldorado Creek komplett abgesteckt, eingeteilt in sogenannte Claims (ca. 120 Meter lange Abschnitte des Bachs, genaue Größe konnte ich trotz intensiver Recherche bisher nicht herausfinden).

Nette Story am Rande (ich komme gerade vom Thema ab, dieses Kapitel wird wohl länger ...). Als 1897 die recht eilig abgesteckten Claims von William Ogilvie offiziell nachgemessen wurden, stellte sich heraus, dass einer der Helden dem Bachlauf so kurvig gefolgt war, dass die obere Marke 4 Meter weiter flussabwärts lag als die untere, mit anderen Worten, er hat 4 Meter weniger als nichts abgesteckt. Andere hatten zu große claims abgesteckt, die beim Nachmessen übriggebliebenen Reststücke waren frei verfügbar. Dick Lowe, einer der Vermessungshelfer steckte eine solche "fraction" für sich ab und holte aus diesen 26 Metern eine halbe Million Dollar in Gold heraus. Glück und Vitamin B braucht der Mensch ...

Zurück zum Bonanza Creek. Da es in dieser Gegend bereits Ende August den ersten Nachtfrost gibt, schaufelten und wuschen die Goldgröber sozusagen gegen die Uhr. Erst nachdem im nächsten Sommer das Eis des Yukon getaut war, erreichte die Nachricht den Rest der Welt. Am 14. Juli 1897 legte die Excelsior in San Francisco an, am 17. Juli die Portland in Seattle. Die Zeitungsschlagzeile "mehr als eine Tonne Gold an Bord" (tatsächlich waren es über zwei Tonnen) setzte eine bis dahin nicht gekannte Welle in Bewegung. Der Börsencrash 1893 und die darauf folgende Depression hatte Millionen von Arbeitern ihre Lebensgrundlage genommen. So machten sich über 100.000 Menschen (darunter der Bürgermeister von Seattle) auf, ihr Glück zu finden. Weniger als 3.000 kamen auf der "Route der Reichen" mit dem Dampfschiff den Yukon aufwärts zum Klondike. Etwa 2.000 versuchten es mit den Landweg über Alberta, einige Wenige schafften es nach 2 Jahren, natürlich viel zu spät. Alle anderen kamen im Herbst und Winter 1897 mit dem Schiff nach Dyea oder Skagway, um dann über den Chilkoot Pass oder den White Pass die Zuflüsse des Yukon zu erreichen.

Die Karte (geklaut bei Klondike Gold Rush NHP) zeigt das Gebiet. Den Highway (1960er) und die Eisenbahn (ab 1899) müsst Ihr Euch natürlich noch wegdenken! Der 53 km lange Chilkoot Trail wurde vor dem Goldrausch vom Volk der Tlingit benutzt, um mit anderen Indianerstämmen Handel zu treiben. Haupthindernis waren die "golden stairs", 300 Meter Höhenunterschied auf 400 Metern Weg. Dieses Bild haben sicher die meisten von Euch schon so oder ähnlich gesehen: 

Im Winter 1897/98 überwanden etwa 30.000 Goldsucher dieses Hindernis. Die Ausrüstung wurde mit Pferden oder Schlitten bis zum Lager gebracht, dann in Portionen von bis zu 60 kg je Träger (!!) den Chilkoot Pass hochgeschafft. Dabei konnten es sich nur wenige Goldsucher leisten, die Trägerdienste der Einheimischen zu bezahlen. Das hieß, zwischen 20 und 40 mal vollgepackt diesen Berg hochzusteigen, und kaum jemand schaffte mehr als einen Auf- und Abstieg pro Tag. Insgesamt musste jeder Goldsucher nämlich die sprichwörtliche "eine Tonne Ausrüstung" mitbringen, um die kanadische Grenze überqueren zu dürfen. Wer nicht Proviant für 2 Monate und 500 $ cash oder Proviant für 6 Monate und 200 $ cash vorweisen konnte, wurde von den "Mounties" gleich zurückgeschickt. Eine Musterliste des Chicago Record's Book for Gold Seekers sah so aus:

  • 150 Pfund Speck

  • 400 Pfund Mehl

  • 25 Pfund Haferflocken

  • 125 Pfund Bohnen

  • 10 Pfund Tee

  • 10 Pfund Kaffee

  • 25 Pfund Zucker

  • 25 Pfund getrocknete Kartoffeln

  • 2 Pfund getrocknete Zwiebeln

  • 15 Pfund Salz

  • 1 Pfund Pfeffer

  • 75 Pfund Trockenfrüchte

  • 8 Pfund Backpulver

  • 2 Pfund Soda

  • 1/2 Pfund Essigpulver

  • 340 ml Suppenkonzentrat

  • 9 Stück Seife

  • 1 Dose Senf

  • 1 Dose Streichhölzer (für 4 Männer)

  • 1 Ofen für 4 Männer

  • 1 Goldpfanne für jeden

  • 1 großer und mehrere kleine Eimer

  • Teller und Essbesteck

  • 1 Pfanne

  • 1 Kaffee- und Teekanne

  • 2 Pickel und 1 Schaufel

  • 1 Säge

  • Packschnur 

  • 6 Stück Papier (20 cm) und 2 Stück Wachspapier für die Gruppe

  • Zugmesser, Bohrer, Hobel und Hammer für die Gruppe

  • 2 Äxte mit einem Ersatzstiel für 4 Männer

  • 60 Meter Seil (Durchmesser 1 cm)

  • 8 Pfund Pech und 6 Pfund Kitt für 4 Männer

  • je 5 Pfund Nägel zu 6, 8, 10 und 12 Pennies für 4 Männer

  • Zelt, 3 x 4 Meter für 4 Männer

  • Packtuch

  • 2 Öltücher je Boot

  • 5 Meter Moskitonetz für jeden

  • 3 Satz warme Unterwäsche

  • 1 schwerer Mackinaw Mantel

  • 2 Paar schwere Mackinaw Hosen

  • 1 schwerer gummibeschichteter Mantel

  • 1 Dutzend dicke Wollsocken

  • 1/2 Dutzend dicke wollene Fausthandschuhe

  • 2 dicke Oberhemden

  • 2 Paar rutschfeste Gummistiefel

  • 2 Paar Schuhe

  • 4 Paar Bettücher (für 2 Männer)

  • 4 Handtücher

  • 2 Overalls

  • 1 Satz Ölzeug

  • Mehrere Sätze Sommerkleidung

  • einige Medikamente 

A propos Mounties: sie sorgten nicht nur dafür, dass auf dem Weg nach Dawson niemand verhungerte, sie waren auch von Anfang an Garanten für Recht und Ordnung. Während es in Skagway (USA) vor Betrügern und Dieben gerade so wimmelte (um eine der Hauptfiguren, Jefferson Randolph "Soapy" Smith loszuwerden, opferte sich sogar ein ehrenwerter Bürger, nach einem Schusswechsel starben beide), wurde in Dawson (Kanada) nicht ein einziger schwerer Raub oder gar Tod registriert.

Ich bin schon wieder weit weg vom Thema - sorry! Zurück zur Karte. Die Route über den White Pass (vgl. Kapitel 39) war 16 Kilometer länger, der Pass war allerdings 200 Meter niedriger und nicht so steil. Der "Weg" war allerdings nach kürzester Zeit in so miserablem Zustand, dass in diesem Winter etwa 3000 Pferde auf ihm starben, nicht wenige von Goldsuchern zu Tode geprügelt. Daher der Name "deadhorse gulch". Oder mit den Worten eines Stampeders, der beide Routen ausprobiert hat: "es war egal, welchen Pass Du genommen hast, Du hast Dir gewünscht, den anderen genommen zu haben". Oben ging es dann beinahe eben bis zu den Seen Lindeman oder Bennett, wo die verschiedensten Wasserfahrzeuge gebaut wurden. Am 29. Mai 1898 starteten genau 7124 Boote (von den Mounties registriert), von denen nur 150 in den Stromschnellen untergingen, bevor sie die 800 km entfernte Mündung des Klondike erreichten. Endlich am Ziel mussten sie feststellen, dass alle erfolgversprechenden Claims längst abgesteckt waren und ihnen nichts anderes übrig blieb, als gegen Lohn Gold zu waschen oder ihre Ausrüstung zu verkaufen, um sich das Ticket nach Hause leisten zu können. Ein gewisser Joseph Ladue, Händler aus Fortymile, hatte die geniale Idee gehabt, das Land entlang des Yukon abzustecken. Er machte ein Vermögen damit, Parzellen in einer Zeltstadt namens Dawson (benannt nach George Mercer Dawson, der 1879 in der Gegend die Geologie erforschte) zu verkaufen. Mit knapp 40.000 Einwohnern wurde die Stadt sozusagen über Nacht zur größten Ansiedlung westlich von Winnipeg und nördlich von Seattle. Die bisher hier lebenden Hwëch'in Indianer wurden kurzerhand ein paar Meilen flussabwärts gejagt.

Häuser, Läden (ein frisches Ei: 7 DM, eine Zwiebel: 3 DM), Hotels usw. schossen wie Pilze aus dem Boden, in Dawson wurde von den Goldsuchern lange nicht soviel Geld gemacht als an ihnen verdient wurde. Von den knapp 40.000 Menschen, die die Goldfelder erreichten, fanden etwa 4.000 tatsächlich Gold, ein paar Hundert ein Vermögen. Nur eine Handvoll schaffte es, ihr Vermögen zu behalten. Die Straßen sind übrigens bis heute bei Regen in einem ziemlich erbärmlichen Zustand. Oben ein Bild aus 1898, unten aus 2001.

Und dann war da noch was, woran in der Eile niemand dachte: Permafrost-Boden. Die Wärme der Häuser taute den Boden langsam auf und setzte ihn in Bewegung. Das Ergebnis ist, dass heute alle damals gebauten Häuser eingestürzt sind oder abgerissen wurden. Alle? Nein, ein schiefes Exemplar haben sie als Muster stehen lassen. Alle anderen stehen heutzutage auf Stelzen aus Holz oder Beton.

1898 wurde Dawson Hauptstadt des neu geschaffenen Yukon-Territoriums (1953 nach Whitehorse verlegt). Zwei Jahre später gab es jede Menge neue Regierungsgebäude, fließendes Wasser, Strom aus der Steckdose, Telefone und auch sonst alles, was zu einer richtigen Stadt gehört. Wie zum Beispiel Bordelle oder Saloons.

Bis heute sind Glücksspiele in Kanada eigentlich verboten, außer bei Diamond Tooth Gertie's (im Bild mit einem gewissen Touristen ...). Gertie heißt übrigens eigentlich Lorraine Butler und stammt aus Melbourne. Sie darf zwischendurch immer mal was singen (sehr gut!), wenn nicht gerade vier Mädels auf der Bühne rumhupfen (traurig).

Das Gold an der Oberfläche bzw. in handgegrabenen Schächten war recht schnell ausgebeutet. Ab 1905 kauften große Minengesellschaften die Claims auf und setzten sogenannte Dredges ein, um das Gelände systematisch abzubaggern, das Gestein automatisch zu waschen und hinten wieder "auszuspucken". Eines dieser Geräte, das bis 1966 in Betrieb war, kann heute besichtigt werden.

Das sieht wie ein Schwimmbagger aus? Genau das ist es auch, diese Dredge schwamm nämlich auf dem von ihr ausgebaggerten See. Und um Euch das Ausmaß dieses Ungetüms näher zu bringen, werfen wir mal schnell einen Blick auf die Kette, mit der die Baggerschaufel gesteuert wurde:

Die Kette sieht nicht besonders groß aus? Das hab' ich mir schon gedacht. Also muss ich doch noch mal persönlich ran. Fahr' doch mal mit der Maus über das Bild... Na? Größer?

Heute hat Dawson so um die 3000 Einwohner (im Sommer), die hauptsächlich von Touristen leben. Denen gefällt es, z.B. auf den sogenannten Midnight Dome zu fahren, um von dort auf die Stadt herunterzuschauen. Genau da entstand dieses Bild, und zwar - um Mitternacht! Wer nur im Dunkeln schlafen kann, hat hier ein Problem, ich muss allerdings sagen, dass ich diese langen Abende sehr genossen habe. Es ist einfach ein Erlebnis und sooo angenehm, wenn der Zeitplan nicht dadurch gestört wird, dass irgendwann das Licht ausgeht. Was nicht bedeuten soll, dass es hier nicht wunderschöne Sonnenuntergänge über dem Yukon zu bewundern gibt, nur eben mitten in der Nacht.

P.S. Wer noch mehr über Gold in der Gegend lesen möchte, kann mal bei Parks Canada nachsehen.