Amerikareise 2001 - Kapitel 39: Durch die Wüste 

Habe ich da im verehrten Publikum so ein leises Grummeln vernommen, es wäre jetzt mal wieder genug mit Gegend (außer von Dir, Steffen :-). Dann wenden wir uns doch mal der gehobenen Kultur zu. Wie wäre es zum Beispiel mit einem Salon mit Korbsesseln, Blümchen und hochglanzpoliertem Feuerlöscher?

   

Dazu gehört ein nobler Speisesaal und passend luxuriöse Kabinen. Wir schreiben das Jahr 1929. Der Goldrausch hat sich gelegt, der Kampf um Passagiere und Fracht auf dem Yukon wird schärfer. Die British Yukon Navigation Company lässt ein Schiff bauen, dessen Ladekapazität 50% größer ist als die des bisher größten Schaufelraddampfers. Die SS Klondike ist 64 Meter lang, 15 Meter breit und hat vollbeladen (272 Tonnen Nutzlast) trotzdem nur 1,30 Meter Tiefgang, um den Yukon mit seinen wandernden Sandbänken befahren zu können.

Dennoch endete ihre Karriere schon 1936, als sie von einem unerfahrenen Kapitän auf ein paar Felsbrocken gesetzt wurde. Im Jahr danach wurde eine nahezu identische Kopie fertiggestellt, die bis 1952 Güter transportierte, danach noch kurz und erfolglos als Kreuzfahrtschiff im Einsatz war. 1955 erhielt sie der National Park Service geschenkt. Ein Liegeplatz in Whitehorse war schnell gefunden, dummerweise waren inzwischen einige (zu niedrige) Brücken über den Yukon gebaut worden, sodass das Schiff 1966 auf Rollen die Hauptstraße von Whitehorse hinunter fuhr, beschleunigt mit jeder Menge Schmierseife. Das hätte ich mir gerne angesehen!

Statt dessen fahre ich rüber auf die andere Seite des Yukon. Dieses Foto passt schon beinahe auf die Rätselseite. Diese eigenartige Konstruktion ist eine Fischtreppe, auf der die Lachse an einem Kraftwerk vorbeischwimmen können. Allerdings bin ich noch etwas früh in der Saison, die ersten Exemplare kommen gerade erst an. Immerhin sind sie schon 2-3 Monate flussaufwärts unterwegs, bis sie hierher kommen, und das komplett ohne Nahrungsaufnahme! Seit dem Raddampfer werde ich übrigens von einer Busladung Australier verfolgt, obwohl ich zwischendurch Mittag gegessen habe, erwische ich sie wieder.

Womit wir wieder bei Gegend wären - sorry! Immerhin würden wohl die wenigsten Menschen erwarten, in Nord-Kanada eine Sandwüste zu finden. Dennoch nennen die Einheimischen die Dünen hier stolz "kleinste Sandwüste der Welt" (wenn auch mit Kiefernwald und schneebedeckten Bergen im Hintergrund). Tatsächlich war das Carcross Desert früher mal ein Gletschersee. Die Gletscher haben sich inzwischen verzogen, kräftiger Wind verhindert aber, dass auf dem Sand irgendwas Wurzeln schlägt. Und vorbeiknatternde Drei- oder Vierradvehikel verhindern, dass ich mir auf meinem Fußmarsch quer durch (barfuß!) sehr alleine vorkomme. Ob sie der Vegetation gut tun, würde ich übrigens auch bezweifeln.

Ach ja, die Story muss ich noch loswerden: Carcross hieß eigentlich mal Caribou Crossing. Da aber schon in Alaska und BC Karibus kreuzen und die Post ständig durcheinander kam, wurde dieses Dorf kurzerhand abgekürzt.

A propos Gletscher. Die waren auch für diese traumhafte Sammlung von Seen und Tümpeln verantwortlich. Wir sind gerade am White Pass, das im Vordergrund ist übrigens der Bahndamm. Na, klingelt's? Richtig, ich komme wieder in Goldrush-Gebiet (siehe Kapitel 30). Hier oben gab es einen Ort namens Log Cabin, einem Posten der Mounties, besetzt mit 2 Offizieren, 4 Constables und einer Milchkuh (... sagt das Schild).

 

Diese eigenartigen Gebilde hier sind die Überreste der "Venus Mill". 1908 war dieses Bauwerk sozusagen der letzte Schrei: silberhaltiges Gestein aus einer Mine weiter oben am Berg wurde per Seilbahn hierher transportiert, zerkleinert, gewaschen und unten per Schiff weitertransportiert. Trotz Betrieb rund um die Uhr war das Unternehmen wirtschaftlich ein Flop und wurde bereits nach 2 Jahren wieder geschlossen.

Ehe ich es mir versehe, bin ich wieder an der Grenze nach Alaska. Mit mir spricht der Grenzer noch persönlich, wer nach 24 Uhr ankommt, wird per Videokamera abgefertigt. Nein, ich habe immer noch keine Drogen und keine Waffen dabei! So betrete ich Skagway sozusagen durch die Hintertür. Und während ich so die Hauptstraße runter fahre, steht da weiter vorne an der Straße ein komisches Hochhaus ...

Beim näheren Hinsehen parkt das Haus nur vorübergehend da. Und es ist nicht alleine. Schon 1890 hat ein Colonel Moore vermutet, dass dieser hervorragende Naturhafen mal nützlich sein könnte, falls weiter oben Gold gefunden wird und hat das Land erworben. Zehn Jahre später war es soweit, die Zäune des armen Oberst wurden allerdings komplett überrannt. Heute noch wird das Taiya Inlet, einer der längsten Fjorde an Alaskas Küste, gerne von Schiffen voller Menschen angesteuert.

Dass da im Hintergrund der Harding-Gletscher zu sehen ist, ist übrigens was besonderes. Ich lasse mir sagen, dass man schon viel Glück haben muss, um Skagway nicht im Regen zu erleben. Zu erleben gibt es übrigens tatsächlich überwiegend Touristen. Sie lassen sich mit Bussen von ihrem Schiff 200 Meter weiter nach "downtown" fahren, um dort in die Kutsche umzusteigen (das im Hintergrund ist übrigens der Alaska Christmas Store, ganzjährig).

So deutlich habe ich wohl noch nie das Durchschnittsalter der Besucher nach unten beeinflusst. Hier gibt es eigentlich nur Juweliere, Pelzläden, noble Restaurants und ähnliche Vergnügungen für schippernde Rentner auf Landgang: Klein-Disneyland im wilden Norden. Dass die Eidgenossen in Europa eher nicht mit bunten Totempfählen in Verbindung gebracht werden, stört hier natürlich wenig (links).

             

Wenn er nicht ein Funkgerät bedienen würde, könnte der Kollege (rechts) tatsächlich auch schon vor hundert Jahren den Zug beschaffnert haben.

Touristen, deren Kreditkarte noch nicht komplett leergeputzt ist und/oder die noch einen Tag an Land rumbringen müssen, buchen eine Bahnfahrt. Die Dampflok fährt allerdings nur alle Schaltjahr' mal, sonst sind Dieselloks auf der Strecke unterwegs, die ursprünglich mal für die Goldsucher gebaut wurde. Die qualmen aber auch nicht schlecht...