Amerikareise 2001 - Special (33): Schilda

Über diese Seite denke ich schon beinahe so lange nach, wie ich hier unterwegs bin. Über die 4-Seiten Stoppschilder habe ich ja im Kapitel 21 schon geschimpft. Inzwischen fürchte ich, dass der Stoff zu viel für eine Geschichte wird, wenn ich noch länger warte - also los.

Die Amerikaner haben im Allgemeinen ein gesundes Misstrauen gegen Vorschriften und Anregungen, sobald sie auf Schilder geschrieben sind. Eine Blechtafel, die ich als "no pets allowed" gelesen hätte, wird von Hundebesitzern so interpretiert, dass sie ihren Vierbeiner auf diesem Weg nicht an die Leine nehmen müssen, denn das stand da ja nicht. Besonders glaubwürdig wird es, wenn sich die Schilder widersprechen. So wurde ich innerhalb von 100 Metern aufgefordert, wegen Rollsplitt langsam zu fahren, zu beschleunigen und langsamer zu werden. Das nimmt verständlicherweise niemand ernst.

Ähnlich geht es einer Ankündigung, es komme eine Baustelle und man möge doch bitte langsamer fahren. Ich bin der Einzige, der tatsächlich wenigstens etwas langsamer wird. Als nächstes sagt das Schild: "flagger ahead, prepare to stop". So bereite ich mich geistig-moralisch darauf vor, gleich angehalten zu werden. Nicht so der Rest des Verkehrs, der mich als fahrendes Hindernis betrachtet. Während auf den nächsten Kilometern die Spannung ins Unermessliche steigt, halte ich weiter tapfer den Verkehr auf. Irgendwann geht dann sogar mir auf, dass ich reingelegt wurde und es sich um eine Schein-Baustelle handelt. Wieder was gelernt. Mit der Zeit gewöhnt man sich an diese Geister-Schilder und ignoriert sie. Das haben natürlich auch die Bauarbeiter erkannt, die jetzt vom ungläubigen Verkehr beinahe überfahren werden, wenn sie tatsächlich mal arbeiten. Lösung: es müssen mehr Warnschilder her, und sie müssen gefährlicher aussehen. Ein Schild, das etwas auf sich hält und beachtet werden möchte, ist deshalb mit roten Fähnchen dekoriert, ungefähr so:

Weil sich der erfahrene Amerika-Pilot natürlich auch daran gewöhnt, gestaltet sich eine mustergültige Baustelle heutzutage so: nach einer überdimensionalen Ankündigungstafel mit blinkender Leuchtschrift, die vor der Baustelle warnt, werden im Abstand von ein paar hundert Metern diverse Warnschilder aufgestellt, die abwechselnd zum Bremsen auffordern und einen flagger ankündigen, je näher sie an der Baustelle stehen, desto mehr Fähnchen werden drum herum verteilt. Dann wird etwa 1-2 km vor der Baustelle ein echter lebender flagger aufgestellt, der die ganze Zeit nur mit einer Fahne wackelt. Der Anblick eines lebenden Menschen zeigt dem bisher unbeeindruckten und deshalb ungebremsten Chauffeur, dass tatsächlich gearbeitet wird und es sich lohnen könnte, tatsächlich zu bremsen. Danach werden noch ein paar Schilderchen lose aber dekorativ gestreut, bis dann tatsächlich kurz vor der Baustelle ein flagger den Verkehr anhält (bevorzugt in strömendem Regen).

Besondere Freude kommt auf, wenn ein Schild einen Bump oder Dip ankündigt. Diese Unebenheiten führen bei Nichtbeachtung schon mal zu einem Achsbruch oder einer Viertelstunde Aufräumen im durchgeschüttelten Camper. Es versteht sich fast von selbst, dass die schlimmsten Löcher nicht beschildert sind und andererseits bei vielen bestehenden Schildern ein nagelneuer Straßenbelag darauf hinweist, dass das Hindernis vor ein oder zwei Jahren entfernt wurde, sich aber bisher niemand überlegt hat, auch das zugehörige Schild zu fällen.

In die Kategorie Spaß-Schilder fallen die folgenden Exemplare, alle aus Kalifornien.

     

Der Surfer überquert die Straße in der Nähe von Eureka. Vor kreuzenden Kajaks (xing spricht man cross-ing) werden Radfahrer in Monterey gewarnt, das zirkusreife Rotwild springt im Napa Valley.

A propos Wildwechsel. Auf bisher 30.000 km durch Amerika wurde ich schon vor den verschiedensten Tieren gewarnt. Als Nicht-Jäger, dafür Sammler habe ich mal ein paar zusammengetragen:


Modell "Alberta", das Standard-Rotwild, am ehesten als grazil zu bezeichnen

Modell "British Columbia", besonders gefährlich für Geisterfahrer, gut an der Fernsehantenne erkennbar

Modell "Manitoba", mein Liebling. Erreicht knapp Schallgeschwindigkeit, fliegt manchmal tief

Modell "Saskatchewan", erinnert etwas an Felszeichnungen (gab es damals schon Autos?)

Modell "Ontario", endlich mal ein Elch - forsch voranschreitend

Modell "Yukon", majestätischer Rentner-Elch mit Holzbein

Modell "Arizona", Elk* im Sonnenuntergang überlegt es sich nochmal

Modell "Trophäe", wer das Karibu erlegt, darf es ausgestopft an die Wand hängen

Modell "Zielscheibe", hier hat ein Waidmann schon mal den Ernstfall geprobt

Modell "Fönwelle", der Elk*
hat sich für die Touristen fein gemacht

Modell "Mexico", außer zweibeinigen Kühen gibt's hier nix

Modell "Stierkampf", das Bison soll wohl durch das Rote Schild angelockt werden

Modell "Nevada", besonders gefährlich für Autos der Marke Dodge**

Modell "Washington", mit akkurater Fahrweise können mehrere Enten gleichzeitig erlegt werden

Modell "Kindergarten", wir basteln uns ein Pferd mit Bleistiftbeinen

Genug Wildnis. Wenden wir uns doch mal der Zivilisation zu. Und zwar präzise gesagt, dem ruhenden Verkehr in der Großstadt. Wer sich bei uns schon mal drüber gewundert hat, warum er im Mannheim einen Strafzettel bekommt, wenn er mit einem gültigen Anwohnerbesuchsparkschein in einer "eingeschränktes Halteverbot (Anwohner frei)-Zone" statt in einer "Parkschein (Anwohner frei)-Zone" parkt, dem seien die folgenden Orte empfohlen:

     

In Rapid City sollte man immer ein Auge auf den Wetterbericht werfen. Fällt über Nacht überraschend mehr als 10 cm Schnee, braucht man sein Auto am nächsten Morgen nicht mehr freischaufeln, das hat schon der Abschleppunternehmer übernommen. In Vancouver (mittleres Bild) benötigt man schon mal 5 Minuten und einen Kalender, um herauszufinden, ob man gerade hier parken darf (ähnliches findet sich in Toronto und anderen kanadischen Städten). Wer in Seattle parken möchte, sollte besser noch einen Kompass einstecken, um auch an bewölkten Tagen (die soll es da ja ab und zu auch geben ...) zu wissen, von wo aus er die Space Needle legal betrachten darf. 

Für Monterey wiederum empfiehlt sich eine Stoppuhr. Oder man parkt sein Auto eine Querstraße weiter in der 24-Minuten-Zone, falls es etwas länger dauert. Einen Strafzettel hat man sich in Amerika übrigens recht schnell eingefangen. Zahlen ist danach allerdings sehr einfach, wer z.B. (ein rein hypothetischer Fall :-) in Vancouver an einer abgelaufenen Parkuhr erwischt wird und 25 $ dafür zahlen soll, klickt die angegebene Webseite an, tippt die Nummer des Strafzettels ein und gibt seine Kreditkartennummer an - erledigt!

Abschließend noch ein Beispiel für Liebe zum Detail. In Victoria warnt ein Schild vor Baggerverkehr, das schon eher an eine Explosionszeichnung erinnert als an ein Verkehrsschild. Eben mit Liebe gemacht.

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*  Bitte Elk (= Wapiti-Hirsch) nicht mit Moose (= Elch) verwechseln!
** das war Einer für Insider. Das Logo von Dodge sieht nämlich so aus: